Dienstag, 12. Mai 2020

Vertrauen Sie nur den offiziellen Mitteilungen

Der R-Faktor steigt wieder über 1.




So titelten die großen Zeitungen gestern und vorgestern und auch die Kanzlerin erhob mahnend den Finger, uns alle bei Fehlverhalten wieder mit Maßnahmen bestrafen zu müssen.

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Den R-Faktor, also die sogenannte Reproduktionszahl, die angibt, wieviele Menschen ein Infizierter ansteckt, kennt inzwischen fast jeder.

Und fast jeder weiß inzwischen auch, dass es wohl sehr schlimm sein muss, wenn diese Zahl bei 1 oder darüber liegt. Die Kanzlerin tut jedenfalls ihr menschenmöglichstes, damit die Zahl unter 1 bleibt. Aber wenn sie es nicht schafft (natürlich nur wegen des Fehlverhaltens von "Verschwörungstheoretikern", "Corona-Leugnern" und anderen subversiven Elementen, die in der Öffentlichkeit die Beachtung der Grundrechte fordern), dann müssen wir halt wieder zurück ins Heim.

Diese letzte Meldung ist ein weiteres Beispiel in der langen Liste, wie staatliche Institutionen und die großen Medien Informationspolitik und damit auch Propaganda betreiben.

Es wird eine für sich betrachtet richtige Information (der R-Faktor steigt über 1) übermittelt, es werden aber wesentliche Zusatzinformationen (wie kommt der R-Faktor zustande) zur Einordnung der Zahl einfach weggelassen.

Und man muss nicht mal lügen oder die Zusatzinformationen vor der Öffentlichkeit verbergen. Es funktioniert auch so. 

Die Zusatzinformationen werden einfach nicht über die Medien mitgeliefert, die von der Mehrheit der Bevölkerung gelesen/gehört werden, sondern sie verstecken sich auf den Seiten des RKI, inmitten von Fachbegriffen und wissenschaftlich anmutenden und teilweise auch wissenschaftlich erstellten Informationen. 

Und man setzt darauf, dass nur wenige Menschen Zeit haben, sich eingehender damit zu befassen. Und man setzt auch darauf, dass die Mehrheit der Leute noch immer blind dem vertraut, was Regierung und große Medien verbreiten.

Und es ist ja auch nicht falsch. Allerdings ist es nicht vollständig und deswegen ist es doch falsch!

Und man setzt auch darauf, dass alle die, die kritisch sind und sich die Zeit nehmen, die Informationen zu prüfen, in den Medien und sozialen Netzwerken einfach als "Verschwörungstheoretiker" abgetan werden.

Und es funktioniert, wie wir jeden Tag in den Medien und sozialen Netzwerken erleben können. Es funktioniert tatsächlich. Und solange das so gut funktioniert, muss man sich nicht die Mühe machen, die wichtigen Informationen tatsächlich geheim zu halten. Man muss sie nur so gut "verstecken", dass die Mehrheit der Leute sie nicht liest (keine Zeit, keine Lust... whatever) und kann im Zweifel hinterher immer sagen, dass die Informationen ja alle verfügbar sind.

In den Nachrichten haben die Sender von Informationen (z.B. das RKI oder die Kanzlerin) nur ein kleines Zeitfenster, um ihre Message loszuwerden. Und Menschen hören bei den Nachrichten auf keywords, auf Schlüsselwörter. Das sind ganz banale Überlegungen wie: wird es besser oder wieder schlechter? Kommen Lockerungen oder neue Maßnahmen? Und wenn diese grundlegenden Fragen beantwortet sind, schalten viele Menschen ab. So ähnlich ist das mit dem Lesen von Überschriften in Zeitungen.

Es funktioniert!

Was hat es nun mit dem R-Faktor auf sich, der jetzt wieder über 1,1 gestiegen sein soll?

Nun es liegt schlicht daran, dass das RKI mal wieder die Kriterien zum Testen geändert hat und dass jetzt einfach immer mehr Tests durchgeführt werden, die Anzahl der Tests aber bei der Berechnung des R-Faktors keine Rolle spielt! 

Ja, sie spielen keine Rolle!

Man muss weder Statistik, noch Virologie oder irgendwas anderes studiert haben, um zu begreifen, dass die absolute Anzahl der durchgeführten Test ein Basisbaustein für die Berechnung der Ausbreitung eines Virus ist.

Wie wird denn der R-Faktor berechnet? Das kann man auf den Seiten des RKI nachlesen, wenn man sich ein wenig Mühe macht, das zu finden (dass darauf gesetzt wird, dass sich wenige die Mühe machen und dass das funktioniert, hatten wir ja schon).

Im "Täglichen Lagebericht" des RKI zur Corona-Lage vom 09.05.2020 steht:

"Die im Rahmen des Nowcastings geschätzte Anzahl der COVID-19-Neuerkrankungen wird als gleitendes 4-Tage-Mittel dargestellt, um Zufallseffekte einzelner Tage auszugleichen (Abbildung 7). Damit ergibt sich die Berechnung des Punktschätzers von R für einen bestimmten Tag als einfacher Quotient der Anzahl von Neuerkrankungen für diesen Tag geteilt durch die Anzahl von Neuerkrankungen 4 Tage davor. Mit Datenstand 09.05.2020 0:00 Uhr wird die Reproduktionszahl auf R= 1,10 (95%-Prädiktionsintervall: 0,90-1,34) geschätzt. Die heutige Schätzung der Reproduktionszahl R liegt über 1. Bei der Interpretation muss berücksichtigt werden, dass diese Schätzung mit der Unsicherheit verbunden ist, wie sie das jeden Tag ausgewiesene Prädiktionsintervall ausdrückt. Aufgrund der statistischen Schwankungen, die durch die insgesamt niedrigeren Zahlen verstärkt werden, kann somit noch nicht bewertet werden, ob sich der während der letzten Wochen sinkende Trend der Neuinfektionen weiter fortsetzt oder es zu einem Wiederanstieg der Fallzahlen kommt. Der Anstieg des geschätzten R-Wertes macht es erforderlich, die Entwicklung in den nächsten Tagen sehr aufmerksam zu beobachten."

https://www.rki.de Situationsberichte/2020-05-09-de.pdf

Es werden also einfach die "Neuerkrankungen" von heute durch die "Neuerkrankungen" von vor 4 Tagen geteilt. Das ist es! So unfassbar simpel und eigentlich falsch ist diese Rechnung. Also inhaltlich falsch.

Zunächst mal sind das keine "Neuerkrankungen", sondern positive Testergebnisse. 

Diese Bezeichnung wurde von Anfang an falsch verwendet. Es ist schlicht und ergreifend falsch, von Neuerkrankungen zu sprechen. Eine Neuerkrankung bedeutet, dass sich der Patient an dem Tag neu infiziert hat. Aber das ist nicht, was die Testergebnisse aussagen.

Die Testergebnisse sagen nur, dass sich der Mensch infiziert hat. 

Ob das gestern oder vor 4 Wochen war, weiß niemand! Dieser Mensch ist nur jetzt in der Statistik aufgetaucht, weil er jetzt zufällig getestet wurde.

Weiterhin wird die Anzahl der durchgeführten Tests nicht berücksichtigt, was aber extrem wichtig wäre.

Ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung: wenn ich vor 4 Tagen nur 100 Tests durchgeführt habe, heute aber 200 Tests, und ich heute bei 200 Tests 5 "Neuerkrankungen" finde, es vor 4 Tagen bei 100 Tests aber nur 4 "Neuerkrankungen" waren, dann steigt der R-Faktor.

Rechnerisch ist diese Information richtig. 5/4 sind 1,2. 

Nur tatsächlich sinkt die Ansteckungsrate, denn ich habe viel mehr Menschen getestet als vor 4 Tagen. Und vor 4 Tagen habe ich, gerechnet auf 200 Tests 8 "Neuerkrankungen" gefunden, heute habe ich bei 200 Tests 5 "Neuerkrankungen". 

Absolut gesehen sinkt die Ansteckungsrate und auch die Zahl der "Neuerkankungen", rechnerisch, so wie der R-Faktor berechnet wird, steigt er aber an.

Man liest also in den Medien, dass der R-Faktor steigt und erhält damit ein Bild, dass im Prinzip das genaue Gegenteil der Situation widerspiegelt. Denn es wird einfach mehr getestet. 

Zum einen, weil immer mehr Testkits zur Verfügung stehen und zum anderen, weil das RKI die Kriterien für Testpersonen am 06. Mai ausgeweitet hat. Seit diesem Tag sollen Personen mit respiratorischen Symptomen getestet werden, unabhängig davon, ob sie einer Risikogruppe angehören.

Neuartiges_Coronavirus/Massnahmen_Verdachtsfall_Infografik





Bis dahin galt noch die Vorgabe einer Änderung vom 24.03.2020, dass insbesondere Personen aus Risikogruppen getestet werden sollen.

Testkriterien des RKI ab dem 24.03.

Diese Unterschiede in den Formulierungen mögen banal klingen und ja, Ärzte haben jetzt auch Tests durchgeführt, wenn ein Patient das wollte, aber für den Großteil der Tests gilt, dass sich Ärzte an die Vorgaben des RKI halten. Sei es aus Kapazitätsgründen oder auch aus Gründen der Abrechnung der Kosten. 

Und jetzt wird eben der Kreis der Personen, die getestet werden sollen, erheblich erweitert.

 Und natürlich steigen damit auch die Zahlen von "Neuerkankungen", genaugenommen von Personen, bei denen das Virus nachgewiesen wurde.

Nur sagt eben die daraus berechnete Zahl "R-Faktor" nichts aus über die tatsächliche Situation.

Es ist fast unglaublich, dass sich Wissenschaftler und Politiker mit solchen Zahlenspielereien zufrieden geben, deren Schwachpunkte eigentlich fast jedes Kind versteht.

Würden die Zusatzinformationen allerdings in den großen Medien mitgeliefert werden, hätte die Bevölkerung gleich ein ganz anderes Bild von der Situation.

Über die Gründe, weshalb mit diesen Zahlen "gearbeitet" wird, will ich mich nicht äußern. Klassischerweise gibt es immer nur zwei Gründe für seltsames Verhalten: Dummheit oder Absicht







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