Sonntag, 26. Mai 2024

Woke to the max!

Bestimmte Leute fragen mit klugscheißerischer Mimik und Tonart gern mal, wo denn dieser "Wokismus" zu finden sei, der angeblich so gefährlich ist und von Regierungen oder "dunklen Mächten" propagiert wird.

Nun, das ist natürlich kein Vorgang, den man mit einem Gesetz oder einer Erklärung von heute auf morgen in Gang gesetzt hat, sondern es ist ein Prozess, der über Jahrzehnte seinen Weg über Aktivisten durch Unis und Medien gefunden hat und heute schon viele normale Leute "infiziert" hat. Wo und wie das alles mal angefangen hat, ist eigentlich ziemlich egal. 

Ich hab ja meine ganz persönliche Meinung zur Entstehung, aber dazu ganz am Ende.

Aber was heutzutage "woke" bedeutet, konnte man gestern abend wieder im Fernsehen sehen.

Die ARD übertrug das DFB-Pokalfinale zwischen Kaiserslautern und Leverkusen.

Vor allem die Fans des 1. FCK begeisterten mit einer phantastischen Choreographie zu Spielbeginn.



Soweit, so gut. 

Später brachten die Fans beider Mannschaften ihren Enthusiasmus auch noch durch Pyro und Feuerwerkskörper zum Ausdruck.

Eine schöne Zusammenfassung des Ganzen gibt es hier in diesem Video.

Nun kann man über Pyro und Feuerwerk denken, was man will, aber es gehört irgendwie schon immer zum Fußball dazu. Ich persönlich mag Pyro, bei Feuerwerk hab ich schon gemischt Gefühle, aber solange die Fans die Leuchtspur-Raketen in den Himmel schießen und nicht in den gegnerischen Fanblock, ist es noch auszuhalten. Egal, meine Meinung ist hier nicht wichtig.

Wichtig ist der Kommentar des Reporters der ARD Gerd Gottlob.

Als die Feuerwerkskörper Richtung Himmel flogen, sagte der wirklich: "In Zeiten, in denen wir Kriege haben, braucht das kein Mensch."

Also wer mal wissen will, was "woke" heutzutage bedeutet... DAS ist "woke"! Auf höchstem Level!

Überhaupt auf die Idee zu kommen, bei Feuerwerk eine Verbindung zum Krieg herzustellen, ist schon absurd. Sich dann aber nicht zu blöd zu sein, sowas in einer Sportübertragung zu sagen, zeigt schon das Level, das diese "Wokeness" inzwischen erreicht hat. Diese Leute sind sich echt nicht zu blöd, ihre möglicherweise berechtigte Kritik an irgendwas mit einem moralischen Pathos vorzutragen, wo jegliche intellektuelle Selbstzensur versagt. Der Hintergrund dieser "Kritik" ist ja, daß sich womöglich irgendjemand bei diesen Feuerwerkskörpern an den Krieg erinnert fühlt und eine Art Trauma erleidet. 

Wahrscheinlich die vielen Kriegsflüchtlinge, die das Spiel im Stadion oder vorm Fernseher verfolgt haben und sich eigentlich auf einen friedlichen und entspannten Fußballabend gefreut hatten. Und dann kommen da diese unsensiblen FCK-Fans und erinnern sie an Belgrad, Aleppo oder den Donbass.

Oder die spießigen links-grünen Wohlstands-Kasper, die mit dieser Referenz zum Krieg ihr eigenes langweiliges und ungefährdetes Dasein ein wenig mit Dramatik und Aufregung garnieren wollen.

Und damit sind wir beim Kern des Wokismus: bei jedem Vorgang im realen Leben, ob nun Aktion oder Sprache, irgendeine emotionale Verletzung bei irgendwem zu vermuten und deswegen diese Aktion oder Sprache zu unterlassen bzw. bei anderen zu kritisieren.

Und dabei kann die Spanne zwischen Ereignis (Feuerwerk) und traumatisierender Analoge (Krieg) gar nicht groß genug sein!

Das ist so, als ob jemand sagt, er liebt das Meer und ein woker Schwachkopf entgegnet ihm: "Wie kannst du nur? Im Meer sterben Flüchtlinge!"

Eine etwas niedrigeres Level von "Wokeness" gab es dann noch im Anschluss zu sehen, als die ARD die Kurzserie "Wir Weltmeister" über den WM-Titel der Deutschen 2014 zeigte. 

Zusammen mit Benedikt Höwedes, damaliger Abwehrspieler im DFB-Team, fuhr ein Kamerateam nochmal nach Brasilien ins Campo Bahia, also der damaligen Unterkunft der deutschen Nationalmannschaft und zu anderen wichtigen Orten. Unter anderem nach Südtirol, wo die deutsche Mannschaft ein Trainingslager zur Vorbereitung auf die WM durchführte. Dabei kam es bei einer PR-Aktion für den Sponsor Mercedes zu einem Unfall mit Urlaubern. Benedikt Höwedes war auch in dem Auto und man ließ diesen Unfall nochmal Revue passieren. Und natürlich kam dann auch der Satz, wie es ihm jetzt persönlich dabei geht, wo er nochmal am Unfallort steht. Gern auch in der Formulierung "was das mit einem macht" von Sportreportern oder anderen Interviewern verwendet, wenn sie Sportler oder andere Leute befragen.

Ganz ehrlich: der Unfall damals war ein tragischer Vorfall, so wie jeder andere Unfall auch! Der wird nicht tragischer oder schlimmer, nur weil er quasi in der Öffentlichkeit passiert ist, unter der Aufmerksamkeit, die einem DFB-Team nun mal zuteil wird. 

Wen interessiert denn genau, wie sich Höwedes jetzt, 10 Jahre danach, fühlt? Wem bringt es irgendwas, zu wissen, wie es Höwedes in dem Augenblick geht, wo er an der Unfallstelle steht? Was ändert das oder wem hilft das? Den Unfallopfern? Höewedes selbst? Wohl kaum.

Es ist pure Inszenierung, um simple emotionale Instinkte des Zuschauers anzusprechen.

Jeder weiß, daß man bei Erinnerungen an schlimme Ereignisse emotional werden kann. Nichts ist dabei besonders oder berichtenswert, nur weil es einem Prominenten passiert. Und damit bin ich bei meiner Ansicht, wo dieser ganze "Wokismus" ursprünglich begonnen hat. Jedenfalls, wo er seinen Weg zu den Massen gefunden hat. Ist nicht zu 100% ernst gemeint, aber ein wahrer Kern steckt mit drin.

Schuld sind Oprah Winfrey und Margarethe Schreinemakers! :D 

Und ihre namenlosen Kollegen im Trash-TV, die irgendwann vor Jahrzehnten auf die Idee kamen, völlig namenlose Freaks und bedeutungslose Spinner vor die Kamera zu zerren und sie "ihre Geschichte" erzählen zu lassen. Ob es die Liebe zum Hund war oder die Beziehungsprobleme von Leuten aus dem Unterschichtenmilieu... auf einmal hatten sie ihren kurzen Moment der großen Aufmerksamkeit und sie hatten das Gefühl, jemand würde sich für ihr Leben und ihre Gefühle oder Meinungen interessieren und sie hätten ein Recht darauf, den Rest der Welt damit zu belästigen. Die TV-Macher waren schlau genug, diesen Eindruck aufrecht zu erhalten und so nahmen Oprah und Margarethe jeden noch so dämlichen Schwachkopf in den Arm und zeigten Verständnis und vergossen sogar gespielte Tränen des Mitgefühls.

Natürlich ist das alles nur pure Heuchelei und Absicht und baut auf profunder Menschenkenntnis auf: das TV-Publikum will solche Freaks sehen, um sich selbst etwas besser zu fühlen. Normale menschliche Verhaltensweisen der meisten Menschen. Das ist ja auch okay, so ist der Mensch nun mal, aber man muss eben nicht alles, was funktioniert, auch machen. Man muss nicht erbärmliche Gestalten vor die Kamera zerren, um sich über sie lustig zu machen und ihnen gleichzeitig vorheucheln, sie hätten ein Recht darauf, daß andere von ihrem erbärmlichen Leben erfahren.

Aber andererseits: so funktioniert der Markt. Was funktioniert, wird gemacht.

Wo das dann am Ende hinführt, wusste damals niemand. Keiner hat sicher damals geahnt, daß dieses geheuchelte Mitgefühl seinen Weg aus dem Trash-TV ins landesweite Abendprogramm findet, wo dann Feuerwerkskörper zum Kriegssymbol umgedichtet werden.




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