Mittwoch, 31. Juli 2024

Demokratische Resterampe

Der umstrittene Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes, beschlossen von der umstrittenen, damaligen Kanzlerin Merkel, wurde nun aus Kostengründen um einen Teil reduziert.

Auszug aus dem Newsletter von "Pioneer" von Gabor Steingart (16.07.2024):

"In der Theorie ist alles klar. Die Parteien sollen sich streiten, aber nicht hassen. Der Bürger ist nicht der Untertan, sondern der König der Demokratie. Auf dem Papier des Grundgesetzes und im Sandstein des Reichstagsgebäudes steht es geschrieben:

DEM DEUTSCHEN VOLKE!




Unsere Parteien verehren in ihren Wahlprogrammen nicht nur den Bürger, sondern – in der Aktivierung liegt die Kraft – lobpreisen auch den Bürgerdialog. Im Koalitionsvertrag der drei Ampel-Parteien heißt es:

"Wir wollen die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung erweitern und Bürgerdialoge stärken."

Die Tatsache, dass seitdem weder die Bürgerbeteiligung erweitert, noch der Bürgerdialog gestärkt wurde, ist kein Spezifikum von Roten, Grünen und Liberalen. Wenn es denn einen Grundkonsens der Parteien in Deutschland gibt, dann den, es mit der Demokratie nicht zu übertreiben.

Wer griffiger formuliert als Olaf Scholz, ist ein Populist. Volksbegehren gelten den Politikern nicht als belebend, sondern als gemeingefährlich. Schon bei den Vorstandswahlen jedweder Partei hat der Satz des SED-Oberen Walter Ulbricht die Zeitläufte überdauert:

"Es muss alles demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben."

Als Symbol für diese Doppelbödigkeit der Verhältnisse kann das Bürgerforum gelten, das bei der Neugestaltung des Berliner Regierungsviertels zunächst eine wichtige Rolle spielte. Die beiden Berliner Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank hatten den Architektenwettbewerb 1992 gewonnen. Sie waren sich der Symbolik ihres Entwurfs bewusst. Ihnen ging es darum, mit den Bauwerken zweier Diktaturen in den Dialog zu treten.




Die Idee war urdemokratisch und daher bestechend: Entlang des kurvenreichen Spreeverlaufs sollte die Exekutive, also das Kanzleramt, mit der Legislative, also dem Bundestag, verbunden sein. Und als Verbindungsstück zwischen beiden würde ein Bürgerforum entstehen, das auf einer imposanten Fläche die Menschen der Machtzentralen zwingen würde, in den direkten Austausch mit dem Bürger zu treten, dem geschundenen und gequälten Subjekt zweier deutscher Diktaturen.

Doch das Bürgerforum wurde aus Kostengründen als einziger Teil des Entwurfs gestrichen."


Ob der umstrittene Darsteller des Kanzlers oder der umstrittene Darsteller des Finanzministers im deutschen Staatstheater oder jemand anderes für die Streichung verantwortlich ist, ist mir nicht bekannt.




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