Montag, 16. August 2021

Korporatismus in freier Wildbahn

Unter Korporatismus versteht man im weitesten Sinne die Einbindung von Organisationen/Verbänden in politische Entscheidungen.

Politischen Korporatismus kann man in autoritären und liberalen Korporatismus unterteilen, wobei beim ersten Zwangsmitgliedschaften und -mitarbeit kennzeichnend sind und beim zweiten freiwillige Mitgliedschaften und Mitarbeit.

Betrachtet man Korporatismus unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, handelt es sich um die Zusammenarbeit von Wirtschaftsverbänden und Einzelunternehmen mit der Politik, die im Endeffekt zur Benachteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen führen - eine unsägliche Verquickung von Politik und Konzernen. Offiziell geht es dabei immer um angebliche Verbesserungen von Standards zum Schutz der Kunden oder der Umwelt doer des Klimas, tatsächlich handelt es sich um die Errichtung von zusätzlichen Marktbarrieren, die kleine und mittlere Unternehmen auf Dauer nicht überwinden können oder um die Erlangung sonstiger Wettbewerbsvorteile.

Der aktuelle Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns ist ein Beispiel dafür. Nicht nur, daß er den VW-Konzern nach dem politischen Zeitgeist ausrichtet und komplett auf Elektromobilität umstellen will ( da ist er allerdings in guter Gesellschaft mit weiteren Bossen der Automobilbranche), nun spricht er sich auch noch für eine Abschaffung angeblicher "Dieselsubventionen" aus.

Unter "Dieselsubvention" versteht er die geringere Besteuerung von Dieselkraftstoff gegenüber Benzin. Die wurde mal eingeführt, da so ziemlich die gesamte gewerbliche Fahrzeugflotte in diesem Land (Speditionen, Handwerk, Außendienstler) auf Dieselmotoren läuft, die schon immer effizienter waren und in der Zwischenzeit fast sauberer sind als Benzinmotoren. 

Für Privatleute gilt das natürlich auch, weshalb sich viele für ein Fahrzeug mit Dieselmotor entschieden haben. Dafür zahlen sie auch mehr KfZ-Steuer.





Schon das Framing ist beachtlich und man muss es sich mal auf der Zunge zergehen lassen: die "Dieselförderung" belastet alle Steuerzahler.

Also eine steuerliche Entlastung bzw. Minderbelastung stellt eine Belastung aller dar. Also als ob ein Nicht-Autofahrer oder der Fahrer eines Benziners höhere Steuern zahlen muss, weil durch die geringere Belastung der Diesel-Fahrer dem Staat Geld fehlt, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. 

Das würde ja nur halbwegs Sinn ergeben, wenn es einen festen Ausgabenblock des Staates gäbe, der wegen der fehlenden Steuern durch Dieselkraftstoff von allen anderen mitfinanziert werden müsste. Abgesehen davon, daß auch Dieselfahrer vom Staat schon mit allen möglichen anderen Steuern belastet werden, zeigt ein Blick auf die Realität, nämlich die seit Jahrzehnten drastisch steigenden Steuereinnahmen bei gleichzeitigem Anstieg der Ausgaben und der Verschuldung, daß diese Rechnung keine Rechnung ist, sondern eine populistische Behauptung.

Egal, in welchen Bereich der Gesellschaft man schaut, immer fehlen ausgerechnet die dort nicht gezahlten oder ermäßigten Steuern dem Staat, um sein segensreiches Wirken zu vollenden.

Daß der Chef des größten deutschen Autobauers so einen wirtschaftlichen und populistischen Unsinn von sich gibt, ist erschreckend. Geringere Steuern werden zu einer Belastung erklärt. Unglaublich.

Eigentlich müsste er sich für eine Reduzierung der Steuern auf Benzin und KfZ und Umsätze in der Autobranche einsetzen, stattdessen will er eine Erhöhung!

Wahrscheinliches Ziel, neben der politischen Profilierung: sollte VW schneller sein beim Umstieg auf E-Mobilität als andere, verspricht er sich einen kleinen Wettbewerbsvorteil für seine E-Autos. Schließlich sind Dieselfahrzeuge noch immer wirtschaftlicher als E-Autos. Die Kunden würden durch höhere Steuern auf Diesel zum Umstieg auf E-Autos gezwungen. Und wenn VW dann mit einem breiten Angebot aufwarten kann, könnte das von Vorteil sein. Oder er hat einfach nur einen schnelleren return-on-invest auf seine Entwicklungskosten für E-Autos.

Und ganz nebenbei vergisst dieser rückgratlose Populist, daß er wohl nur sehr wenige seiner neuen E-Autos verkaufen könnte, wenn es die tatsächlichen E-Auto-Subventionen nicht gäbe, nämlich die Umweltprämie "vom Staat", die dann tatsächlich von allen Steuerzahlern bezahlt werden muss. Aber diese "Subventionen" dienen ja einer guten Sache, die bei näherem Hinsehen gar nicht mehr so gut aussieht.

Rechenfeher bei E-Autos

Eine Erhöhung der Steuern auf Diesel würde übrigens alle Menschen stark belasten, nicht nur die Fahrer von Diesel-Autos, sondern auch jeden Konsumenten, da im Prinzip die gesamte Logistik, also der Transport aller Rohstoffe, Zwischen- und Endprodukte verteuert wird.

Das betrifft dann auch die, die jetzt schon angeblich die Subvention der Dieselfahrer bezahlen. Wieso rechnet eigentlich Herr Diess nicht die Ersparnis für alle durch geringere Transportkosten und damit günstigere Produkte gegen?

Ob sich da ein großzügiger Politiker oder Konzernlenker finden wird, der eine Entlastung der Bürger an anderer Stelle fordert?

Nun, eine Erhöhung der Preise durch höhere Transportkosten dürfte jedenfalls für Herrn Diess kein Problem sein:




Er wird die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht spüren.






2 Kommentare:

  1. Ich lese hier seit Monaten und habe mich noch bedankt.
    Immer wieder erfrischend und anders.
    Danke!

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    1. Oh, vielen Dank. Hab den Kommentar erst jetzt gesehen.
      Freut mich, wenn es anderen gefällt.
      Gern teilen. ;-)

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