Mittwoch, 30. Mai 2018

Schottland-Reise. Ein (Whisky -) Tagebuch.




Tag 1 - Aberdeen

Von Berlin mit dem Flugzeug nach London, von dort weiter nach Aberdeen.

Keine besonderen Vorkommnisse. Auch nicht in der Whisky-Abteilung des Duty Free Shops. Wer mit deutschen Whiskypreisen gesegnet ist, findet in UK nur sehr schwer ein Schnäppchen. Dem britischen Fiskus und der Alcohol Tax sei Dank.

Ankunft in Aberdeen. Vom Flughafen fährt ein Bus Richtung Innenstadt, also Richtung Union Street, in deren Nähe irgendwo unser Hotel lag, das Holiday Inn Express City Centre. 
Schottische Busfahrer haben eine eigene Vorstellung von kurzen Fußmärschen. Der Bus hielt jedenfalls irgendwo an einem Bahnhof und der Fahrer zeigt uns noch kurz die Richtung und verabschiedete sich dann freundlich. 

"Da die Straße lang, rechts und dann wieder links und da ist die Union Street."

Dazwischen lagen aber mehrere hundert Meter bergauf. Mit vier Koffern jetzt nicht das, was man sich unter einem kurzen Fußmarsch vorstellt. Egal, wie haben es dann geschafft und waren auf der Union Street. Nun nur noch das Hotel finden. Mit Google Maps auf dem Handy waren es dann nochmal etwa 2 Kilometer. Ebenfalls bergauf. Auf den Karten vorher zuhause sah das alles irgendwie näher aus. 

Egal, das Wetter war okay, gute 12 bis 15 Grad, kein Regen und der ungetrübte Blick auf die sturmerprobten schottischen Teenager im Samstagabend-Partyrausch entschädigte doch für einiges. Kurze Hosen und Röcke, enge Kleider, Tank-Tops und T-Shirts, völlig unbeeindruckt von der Figur des Trägers und schlimmer noch, mancher Trägerin. Sobald sich die Temperaturen in Schottland über die 10 Grad-Grenze kämpfen, führen die Schotten ihre Sommersachen aus. Die Stimmung war ausgelassen und laut, Gruppen von jungen Männern und Frauen strebten zielgerichtet den Partylocations und Pubs zu. Es muss so gegen 21.30 gewesen sein.

Im Hotel angekommen, machten wir uns kurz frisch und erhielten dann an der Rezeption noch einen sehr guten Tipp für ein indisches Restaurant. Die Inder im Vereingten Königreich sind mit unseren hier in Deutschland kaum zu vergleichen. Also wer mal in Aberdeen gut indisch essen will: das "Shabazz" ist ein guter Tipp. Ist gleich um die Ecke vom Holiday Inn Express.

Die Kellner waren freundlich und einer sogar ein kleiner Scherzkeks. Die bestellte Mulligatawney-Suppe kündigte er im vollem Ernst als Tomatensuppe an und auf meinen freundlichen Hinweis, dass ich was anderes bestellt hatte, sah er mich mit großen Augen an und meinte ernst, nein, ich hätte Tomatensuppe bestellt.

Dann hielt er mir die Suppe unter die Nase, ich sah die gelbe Farbe und dann sein breites Grinsen und wir waren sofort Freunde. Er kam aus Bangladesh und wir schwatzten dann noch ein Weilchen, während wir auf das Essen warteten.

Das Essen war dann phantastisch, so wie ich es schon von anderen indischen Restaurants in UK kannte und wir gingen zurück ins Hotel.

Die Bar hatte tatsächlich eine kleine, überschaubare Auswahl an Single Malts und so gönnten wir uns noch einen Schluck zum Abend, während im TV in der Lobby noch die vierhundertunddritte Zusammenfassung des Hochzeitstages von Harry und Meghan lief.


Tag 2 - Aberdeen

Aufstehen, duschen, fertig machen, Frühstück. Tipp: auch wenn das Frühstück schon im Zimmerpreis enthalten ist, lieber noch für ein paar Pfund mehr in einem der zahllosen Cafés, Bistros in der Umgebung frühstücken.

Fertig-Rührei aus der Tüte, Bohnen, Speck und Toast, kein Gemüse... kann man mal machen, muss man aber nicht. Jedes Sandwich von Starbucks ist besser. Es gibt auch eine Art kleines Bistro im Hotel, wo man ebenfalls Sandwiches oder Shortbread und Säfte/Wasser kaufen kann.

Ansonsten war das Hotel toll. Betten und Duschen sehr gut und neu, die Lobby und der Frühstücksraum hell und weiträumig, Personal sehr freundlich. Die Lage ist zentral, daher kommt es nachts auch gern mal zu Unterbrechungen des Schlafes, weil sich Partypeople unten vor'm Hotel streiten oder lieb haben, aber sowas weiß man vorher, wenn man City-Hotels in zentraler Lage bucht. War auch nicht weiter dramatisch.

Blick aus dem Hotelfenster auf die für Aberdeen typischen Häuschen mit ihren unzähligen Schornsteinausgängen. Hat da eigentlich jede Wohnung oder jedes Zimmer einen eigenen Schornstein? 





Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Wir nahmen einen Bus und fuhren wahllos ein paar Stationen die Union Street runter und stiegen aus, wo es uns gefiel. Die Union Street geht schnurgerade durch Aberdeen hindurch und ist sowas wie der Kudamm von Aberdeen. Alte imposante Prachtbauten wechseln sich mit neuen Zweckbauten und Shops, Restaurants, Pubs und Shopping-Center-Eingängen ab. Man findet aber eben auch noch diese typischen schottischen gemütlichen Pubs/Restaurants mit Patina-Holztischen, Ledersitzen, niedrigen Decken mit Holzbalken und traditionellem Essen. Und natürlich mit Whisky.

Wir stoppten kurz im Blackfriars, einer Whisky-Bar mitten im Zentrum und ich gönnte mir einen Oban 14 und einen Dalwhinnie 15. Meine Freundin blieb altbewährt bei Baileys on Ice.



Die Whiskykarte:




Soweit versorgt (irgendwas zu essen hatten wir auch irgendwo) machten wir uns auf den Weg Richtung Hafen. Wieder sah es auf der Karte näher aus als es in der Realität war. 

Eigentlich grenzt der Hafen an seinem Ende an die Innenstadt, aber wir wollten weiter hinaus zur offenen See. Und dahin zu kommen, gibt es viele Wege. 

Genaugenommen zwei. Links rum und rechts rum. Natürlich entschieden wir uns für den längeren Weg, quer durch die menschenleeren Straßen rund um den Hafen, die nichts weiter als Lagerhäuser, Handelsbüros und maritime Werkstätten und Technikstationen als Attraktion boten. 

Die Laune sank, denn diese Gegend bietet nun wirklich nichts Ansehnliches. 

Nach langem Kreuz und Quer (was sicherlich auch an unseren mangelhaften Fähigkeiten lag, mit Google Maps umzugehen), kamen wir dann doch endlich ans Meer und ein paar hundert Meter weiter lag dann so eine Art Vergnügungspark an der Strandpromande mit ausreichend Gelegenheit, sich hinzusetzen, auszuruhen, zu essen und zu trinken.

Wir fanden dann auch das sehr schöne "Promenade Café", das innen an Butter-Lindner oder ein New Yorker Deli erinnnert. Viele kleine Leckereien in der Auslage, ein gutes, solides Angebot an kleinen Speisen und Eis und Kuchen.




Sehr schön und die Laune stieg wieder. Als wir dann noch den Bus Richtung Aberdeen City Centre sahen, war alles wieder gut.

Irgendwann fuhren wir dann wieder zurück Richtung Hotel, stiegen aber nochmal mittendrin aus und wanderten rund um das Gelände des Campus der Universität von Aberdeen und durch die Union Terrace Gardens bis zum Hotel. In diesem Teil ist Aberdeen tatsächlich sehr grün und wirkt sehr wohnlich.

Im Hotel kurz frisch gemacht und die Reaktionen auf die Posts bei Facebook gecheckt. Dass das manchmal nützlich ist und gar keine sinnlose Zeitverschwendung zeigte sich, als ich auf mein gepostetes Bild aus der Whiskybar in einer Facebook-Whiskygruppe noch einen Tipp für eine weitere Whiskybar bekam. "The Grill" auf der Union Street, gar nicht weit weg vom Hotel und eine Institution in Sachen Whisky in Aberdeen. Mehr als 300 verschiedene Whiskys warten dort.





Nach kurzem Ausruhen machten wir uns nochmal auf den Weg, um eine Kleinigkeit zu essen und ein paar Drams Whisky zu genießen. Das mit dem Essen war dann so eine Sache, denn obwohl die Bar "The Grill" heißt, gab es dort nichts zu essen. Nur Whisky und andere Drinks und ein paar Bar-Snacks wie Chips oder Nüsse. Aber egal, Alkohol macht auch satt. 

In der mehrseitigen Whiskykarte verlor ich schnell den Überblick, so dass ich mich für eines der 8 Tasting-Packages aus je 4 verschiedenen Whiskies entschied. Speyside Tour Nr. 5 bot bis auf den 18jährigen Glendronach Whiskies an, die ich noch nicht kannte. Umso besser, dass dann ausgerechnet der Glendronach ausgegangen war und ich mir noch einen anderen Whisky aussuchen konnte. Der Barkeeper empfahl den 16jährigen Dailuaine, den ich noch nicht kannte und ich war sehr zufrieden. 

Danach probierte ich noch 3 oder 4 andere Malts, bis der Laden schloss. Unter anderem einen 21jährigen Tullibardine in der Abfüllung von Gordon & MacPhail. Und der hatte mich umgehau'n. Kein Whisky hatte bisher so einen sußlichen Malzgeschmack wie dieser. Später, in den Besichtigungstouren in den Distillerien konnte man auch mal das Malz kosten, also die gekeimte Gerste, aus der der Whisky wird und ich hab mich sofort an diesen Whisky im "The Grill" erinnert gefüht. Wunderbar! 

In der Zwischenzeit habe ich mir diese Flasche auch zuhause bestellt und genieße immer noch jeden Schluck.

Meine Freundin kostete immer mal mit und hielt sich sonst an den bewährten Baileys.




Mit der richtigen Bettschwere ging es dann zurück ins Hotel.




Tag 3 - Speyside, Lossiemouth

Aufstehen, duschen, fertig machen, zum Frühstück nur einen Kaffee (draußen gibt's ja genug andere Sachen) und dann mit dem Taxi zum Flughafen, denn dort wartete der Mietwagen, mit dem wir dann endlich in die Highlands und die Speyside fahren wollten. 

Während der Taxifahrt versuchte ich schon mir vorzustellen, dass ich der Fahrer wäre, denn Linksverkehr hatte ich noch nie. Ich gab nach ein paar Minuten auf. Außerdem war der Taxifahrer auch sehr unterhaltsam und redselig, so dass ich genug zu tun hatte, den schottischen Dialekt zu verstehen.

Am Sixt-Schalter dann wieder ein freundlicher Schotte. Die haben es einfach im Blut. Die sind nicht so aufgesetzt und professionell freundlich, sondern wirklich auf natürliche Art. 

Wir hatten erst einen Wagen der Opel Astra-Klasse bestellt. Ohne Navi, da wir ja Navis in den Handies haben. Auf die Frage, ob wir nicht doch ein Navi buchen wollen, reagierten wir etwas unentschlossen, was sofort den Verkäuferinstinkt im Sixt-Mitarbeiter weckte. Nach ein paar Klicks im Computer wurde aus dem Opel Astra mit Handschaltung und ohne Navi ein 5er BMW mit Automatik und Navi für nur 80 Pfund mehr für alle 6 Tage. Deal!

Hätte Sixt auch gleich haben können. Einfach den Preis online anbieten und alles ist gut. Aber so geht eben das Geschäft der Autovermieter. Jedes Upgrade bringt auch mehr Geld und wer vorher teuer online bucht... umso besser für Sixt.

Nach kurzem Check und Einstellen der Spiegel und Sitze ging es los. Erstaunlicherweise kam ich sehr gut mit den Kreisverkehren zurecht. Einfach schauen, ob wer von rechts kommt, also einer, der schon im Kreisverkehr ist und wenn nicht, dann los. Ist man einmal selbst drin, hat man Vorfahrt. Mehr Probleme bereitet das Fahren in der "falschen" Spur, aber wenn alle so fahren, kann man es auch kaum falsch machen.

Am Hotel schnell das Gepäck eingepackt und dann los.

Erstes Ziel war Craigellachie in der Speyside, nahe Dufftown, dem Epizentrum der schottischen Single Malt Whisky-Industrie. Dutzende Brennereien befinden sich in und um Dufftown, dazu die Speyside Cooperage in Craigellachie, eine große Küfnerei, also Fassmacherei, in der die Fässer vieler Brennereien aufgearbeitet und repariert werden.

Der Weg dorthin führte über die A 96 nach Keith. Eine breite und gut ausgebaute Straße, rechts und links endlose Weite von Feldern und sanften Hügeln (die Highlands mit dem Cairngorm National Park liegen weiter westlich), auf der ich die wahren Probleme des schottischen Straßenverkehrs noch nicht mitbekam.



(Beispielbild von Google Street View)


Von Keith aus geht es links runter auf die A 95 Richtung Craigellachie, nahe Dufftown. 




Anfangs war die A 95 auch noch gut ausgebaut und breit, später aber wurde sie dann zu einer kleinen Landstraße, auf der gerade so zwei Autos vorbeipassten, wenn sich jeder in der Mitte seiner Spur befand. Dann hatte man links und rechts etwa 10 Zentimeter Abstand. Links zum unbefestigten Sandstreifen mit kleiner Böschung zum Grasland, rechts zum Auto im Gegenverkehr. Und auch das ist nicht das eigentliche Problem. Denn wenn man langsam fährt, geht das irgendwie, aber langsam fahren ist nicht so das Ding der Schotten auf dem Lande. Mit 50, 60 Meilen zielsicher und gnadenlos durch die Kurve, im vollen Vertrauen darauf, dass der Gegenüber die Straßen genauso gut kennt und seinen Wagen sicher durch die Kurve zieht. Und in dieser Gegend ist es ja nun nicht unüblich, dass der Gegenüber ein Tourist ist, der die Straßen nicht so gut kennt und dazu noch aus einem Land mit Rechtsverkehr kommt. Egal, auf solche Kleinigkeiten nehmen die Schotten keine Rücksicht.

Und man selbst kann ja auch nicht als Verkehrshindernis langsam durch die Gegend tuckern, weil hinter einem schon der nächste Einheimische drängelt, der einen dann bei nächster passender und auch unpassender Gelegenheit überholt, was auch nicht ungefährlich ist. Dazu kommt, dass selbst wenn man die Spur hält, die Straßen an den Rändern durchaus Löcher oder Bodenwellen oder Stellen ohne Asphalt haben, was das Auto schon mal aus der Spur bringen kann. Hilft alles nichts. Da muss man durch.

Irgendwie habe ich die große Karre dann doch ohne Schaden durch die Straßen gesteuert und zum Glück ist die Verkehrsdichte in der Gegend auch nicht sehr hoch. Aber alle paar Minuten hat man doch seine Momente vollster Konzentration und Anspannung. Urlaub geht anders.

Endlich kamen wir dann in Craigellachie an und steuerten sofort die Speyside Cooperage an. Also die Fassmacherei. Leider kamen wir nach Schluss der letzten Führung an, was aber nicht so schlimm war. Wir erfreuten uns an der schönen Umgebung, stöberten im Shop und bekamen noch ein Stück Kuchen und Kaffee im Restaurant. 

Nach einer guten halben Stunde fuhren wir dann weiter Richtung Norden nach Lossiemouth. Dieser Ort ist direkt an der Küste des nördlichen Mainlands östlich von Loch Ness. Dort war unser Hotel für die nächsten 4 Tage. Von dort aus waren Touren zu verschiedenen Brennereien geplant, zum Loch Ness oder einfach in der Gegend rumfahren und die Landschaft genießen.

Die Fahrt nach Lossiemouth war wieder sehr schön, aufgrund der abwechslungsreichen Landschaft, unterbrochen von kurzen Momenten der Anspannung bei Kontakt mit einheimischen Autofahrern.

Die Landschaft war ein Mix aus Alaska-Highway, niedersächsischer Heide, Harz, Thüringen und Schweden und plötzlich befindest du dich an der Nordsee in Lossiemouth. Bis Elgin hat man die typische Highland/Speyside-Landschaft, danach ändert es sich.

Und tatsächlich gehört der Teil des Meeres dort geografisch noch zur Nordsee, also dem südlichen Nordatlantik.

In Lossiemouth angekommen, bezogen wir unser Zimmer im "The Stotfield"-Hotel, einem von außen durchaus imposanten Hotel mit historischem Charme.





Auch der Empfangsbereich war noch recht schön. Hohe Decken, alte Möbel, dicke Teppiche. Wie in einem Schloss. Leicht heruntergekommen, aber noch okay.

Leider war dann das Zimmer eher eine Enttäuschung. Extrem klein, so dass kaum Platz war, die Koffer irgendwo abzustellen und das Bad würde wohl so in Deutschland kaum noch in einem derartigen Hotel zu finden sein. Vielleicht in einem Monteurzimmer in einem alten Low-Budget-Motel, aber nicht in einem Ferienhotel. Wir nahmen das zunächst erstaunlich gelassen und mit Humor, aber nach einer Weile nervte die Ausstattung dann doch. 

Die Dusche funktionierte mit einer Art Durchlauferhitzer aus den 80ern. Sie hatte drei Stufen. Low, Eco und High. Auf High wechselte die Temperatur alle 30 Sekunden zwischen kalt und heiß (und ich meine heiß!!!), auf Eco war es dauerhaft handwarm und Low hab ich dann gar nicht erst probiert. Übertrieben gesagt: geschickte Menschen hätten es sicher geschafft, zwischen den Wasserstrahlen hin und her zu springen, ohne nass zu werden. Soviel zum Wasserdruck.

Naja, aus Erfahrung lernt man und wir wissen nun, dass wir dieses Hotel nicht mehr nehmen werden.

Immerhin waren auch hier alle freundlich, die Bar hatte wieder eine nette Auswahl an Single Malts und die Betten waren auch sehr gut. Das Frühstück kommt am besten weg, wenn man es nicht weiter erwähnt. Typisch schottisch halt.

Egal, wir waren eh nur zum Schlafen da und essen kann man auch woanders.

Abends fuhren wir dann noch ein wenig durch den Ort, der zu dieser Jahreszeit noch sehr verschlafen ist. Die Saison hat dort noch nicht begonnen. Lediglich der Moray Golf Club gegenüber vom Stotfield-Hotel zieht schon Gäste an. Die Hotels sind nur spärlich belegt und so findet sich auch kaum ein Restaurant oder Pub, in dem noch was los ist.

Wir gingen dann ins Restaurant des Firth-Hotels, weil es von außen noch am schönsten aussah und die Karte auch stimmte.

Hm, sagen wir mal so: es geht auch schlimmer. Es war okay, nach Maßstäben einer guten Werkskantine. Man konnte es essen. Wobei mein Steak Pie noch besser war als das Chicken Curry, welches meine Freundin bestellt hatte. Ich wusste nicht, dass man ein Curry so geschmacksneutral zubereiten kann. Faszinierend. Es ging dann auch umgehend in die Küche zurück, was aber beim Personal nicht für Unmut sorgte. Die danach bestellte Tagessuppe (Tomate mit Chillie) holte dann an Gewürzen alles nach, was der Koch beim Curry vorher weggelassen hatte, aber es war okay.

Kaffee und noch zwei Drinks und schon waren wir wieder weg und werden sicher nicht wieder vorbeischauen. Aber wie gesagt: aus Erfahrung lernt man und es war ja auch keine Hauptsaison.

Zurück ins Hotel und ab ins Bett und am nächsten Morgen begann dann endlich die Tour de Distilleries. Immerhin standen 6 Brennereien auf unserem "Arbeitsplan" für die nächsten Tage. Und die folgenden Tage waren einfach wunderschön.



Tag 4 - Glenfiddich und Glenfarclas

Endlich standen die ersten Brennerei-Besichtigungen an, nachdem es in den vergangenen Tagen nur um gelegentliche Drinks in der ein oder anderen Bar ging. Unser "Arbeitsplan" sah für diesen Tag Glenfiddich und Glenfarclas vor.

Glenfiddich stand nicht ohne Grund am Anfang unserer Besichtigungs-Tour von insgesamt 6 Brennereien. War es doch Glenfiddich, die mit ihrem 12jährigen Standard-Whisky in den 60er Jahren die Idee der weltweiten Vermarktung von Single Malt Whiskies hatten und damit den Grundstein für den Siegeszug dieses Königs der Spirituosen legte.

Single Malt Scotch Whisky bedeutet im Einzelnen:

Single: der Whisky stammt nur aus einer einzigen Brennerei (im Gegensatz zu Blended Whiskies)

Malt: der Whisky wird ausschließlich aus Malz (also aus gekeimter Gerste und nicht etwa noch aus Mais, Roggen oder Weizen) gebrannt

Scotch: der Whisky wird in Schottland hergestellt, gereift und abgefüllt

Whisky: er muss mindestens 3 Jahre in einem Eichenfass gereift sein und darf bei Abfüllung nicht weniger als 40% Alkohol besitzen.

Das wären die wichtigsten Kriterien eines Single Malt Scotch Whisky. Als Zutaten dazu kommen noch Wasser und Hefe. Das war's. Mehr nicht. Okay, manche fügen noch Zuckercouleur als Farbstoff hinzu, um den Whisky in der Flasche etwas "ansehnlicher" wirken zu lassen, aber das tut dem Geschmack nichts.

Der Glenfiddich 12 Jahre ist noch heute der weltweit meistverkaufte Single Malt Scotch Whisky. Man findet ihn in fast jedem Supermarkt, in fast jeder guten Bar und auch in fast jedem privaten Whiskyschrank. Er ist ausgewogen, mild und vereint alle Vorzüge von Malt Whiskies in sich. Er ist weder zu vanillig, noch zu würzig von der Eiche, noch zu fruchtig von den Brennblasen und auch nicht zu sherrylastig vom Finish in Sherry-Fässern. Aber er hat von allem etwas und es ist der perfekte Einstieg in die Welt der Single Malts.

So war es für mich eine Selbstverständlichkeit, meine Reise bei Glenfiddich zu beginnen, obwohl mir vorher klar war, dass aufgrund der schieren Größe und Beliebtheit der Brennerei die Besichtigung eher einem Durchschleusen entsprechen würde.

Naja, ganz so schlimm war es dann nicht, obwohl der Tour-Guide doch sehr zeitbewusst durch die Hallen führte.

Eingangsbereich der Brennerei:


Glenfiddich ist gälisch und bedeutet Tal (Glen) der Hirsche/Rehe (Fiddich). Daher auch das Markenzeichen der Brennerei, der kapitale Hirsch. 

Es gibt nebenan auch noch einen Fluss mit dem Namen Fiddich, aber nach dem ist die Brennerei nicht benannt.



Ahnengalerie der Grant-Familie:


Besucherzentrum von Glenfiddich:



Der Quellfluss Robbie Dhu, der das Wasser für die Brennerei liefert.




Er entspringt etwas oberhalb der Brennerei in den Bergen. Die Familie Grant hat über die Jahrzehnte alle Grundstücke rund um die Quelle und die Brennerei dazu gekauft, um ständig Zugriff auf die Quelle zu haben und die Qualität sichern zu können.

  
Das Still House (Halle mit den Brennblasen):





Wash Back aus amerikanischen Nadelhölzern (eine von 41!!!)





Die Brennerei Glenfiddich liegt in Dufftown, dem Epizentrum der schottischen Whiskyindustrie. Von unserem Hotel in Lossiemouth war es eine entspannte Fahrt von einer guten halben Stunde und wir kamen gegen 9:45 dort an. Um 10:00 Uhr war Tour-Beginn. 

Die Tour startete mit einem wirklich beeindruckenden und aufwändig produzierten Film über die Geschichte der Brennerei, die noch heute in Familienbesitz ist. J.W. Grant gründete sie Ende des 19. Jhdts und baute sie damals mit Hilfe der Familie innerhalb eines Jahres auf. Am Heiligabend 1887 tropfte der erste "New Make", also der erste gebrannte Alkohol aus den Brennblasen. Eine Legende nahm ihren Lauf.

Nach diesem schönen Film ging es los durch die Produktionshallen. Natürlich ist in allen Brennereien der Prozess derselbe. Mühle, Mash Tun, Washback, Wash Still, Spirit Still, Fass/Lagerhaus.

In der Mühle wird das Malz zunächst von kleinen Steinchen und anderen Resten befreit, bevor es gemahlen wird. Das gemahlene Korn bezeichnet man als Grist. Es ist im Prinzip ein grobkörniges Mehl. 

Das Grist wird danach mit heißem Wasser vermaischt, um die Stärke in Zucker umzuwandeln. Übrig bleibt eine zuckrige Masse, aus der die Flüssigkeit per Drainage abgesaugt wird. Der zurückbleibende Rest an Kornmaterial wird entweder den örtlichen Bauern als Futter verkauft oder zu Pellets verarbeitet, die dann zum Heizen genutzt werden können.

Die zuckrige Flüssigkeit kommt danach in die Wash Back. Traditionell aus amerikanischen Nadelhölzern (Oregon-Pine), in der modernen Variante aus Edelstahl, wird in ihr durch Zusatz von Hefe der Zucker in Alkohol umgewandelt. Ist ein bestimmter Alkoholgehalt erreicht, sterben die Hefen ab und der Prozess ist beendet. Man hat dann in der Regel ein Starkbier mit etwa 8% Alkohol.

Dieses Starkbier wird nun zunächst in der Wash Still destilliert, wobei am Ende ein sogenannter Low Wine mit etwa 22% Alkohol entsteht. Durch die Destillation verdampft zunächst der Alkohol, da er einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser hat. An Kondensatoren oder Wärmetauschern wird der Alkoholdampf wieder verflüssigt und dann in den sog. Spirit Stills erneut destilliert. Daraus entsteht am Ende ein Destillat mit etwa 60 bis 70% Alkohol. Dieses Destillat ist der "New Make", der dann in die Fässer gefüllt wird und nun reifen kann. Nach dem Scottisch Whisky Act muss er mindestens 3 Jahre in Eichenfässern lagern, bevor er erstmals als Scotch Whisky abgefüllt werden darf.

Üblicherweise reifen die Whiskies aber deutlich länger. Unter 8 Jahren werden selten Single Malts abgefüllt, die meisten liegen zwischen 10 und 20 Jahren.

Meist werden Fässer aus amerikanischer Weißeiche verwendet, in denen vorher amerikanischer Bourbon-Whiskey gereift war. Dies hat seinen Grund im amerikanischen Whiskey-Gesetz, wonach Bourbon-Fässer nur einmal verwendet werden dürfen. Danach verkaufen die amerikanischen Brennereien ihre Fässer eben an die schottischen Whisky-Brennereien, die die Fässer dann erstmalig mit ihrem Whisky befüllen. Aus dem Fass enthält der Whisky dann den Großteil seines Aromas, seines Geschmacks und, wenn auf künstliche Färbung verzichtet wird, komplett seine Farbe. Denn der frisch gebrannte Whisky ist farblos und durchsichtig. Wie Wasser.

All diese Prozesse wurden auf der Glenfiddich-Tour nacheinander vorgestellt. Da die Gruppe recht groß war, blieb kaum Zeit für Fragen, allerdings hatte ich bei der ersten Besichtigung in englischer Sprache auch Probleme, alles genau mitzubekommen. Ich hätte also nicht mal genau gewusst, was ich fragen sollte. Außerdem merkte man dem Tour-Guide an, dass er auf's Zeitmanagement bedacht war. Trotzdem kann ich die Tour jedem empfehlen. Allein der schöne Film am Anfang ist es wert.

Auf dem Glendfiddich-Gelände gibt es auch noch eine Küfnerei und eine Abfüllanlage. Letztere war auch Teil der Führung.

Nach der Tour gab es noch eine Verkostung der drei Standardabfüllungen von Glenfiddich, dem 12-, 15,- und 18jährigen. Man konnte tatsächlich die unterschiedlichen Alter im Direktvergleich unterscheiden, entweder im Aroma oder im Geschmack oder auch in beidem.

Die Autofahrer unter den Gästen konnten sich die Proben auch in kleine Fläschchen abfüllen lassen und später am Abend genießen.

Wenn die Führungen in den großen Distillerien auch etwas von Massenabfertigung haben, so haben sie doch den Vorteil, dass die Besucherzentren aufgrund der Finanzkraft der großen Brennereien exklusiv ausgestattet sind und meist noch sehr schöne Restaurants angeschlossen sind.

Dies nutzten wir dann auch bei Glenfiddich, schließlich hatten wir bis zur Besichtigung der Brennerei Glenfarclas gegen 15 Uhr noch genug Zeit.

Nach dem Essen fuhren wir noch ein wenig in der wunderschönen Landschaft der Speyside umher und machten uns dann rechtzeitig auf Richtung Glenfarclas. Die Brennerei liegt nur etwa eine Viertelstunde Autofahrt südwestlich von Glenfiddich, im Ort Ballindaloch.

Glenfarclas ist auch eine Brennerei in Familienbesitz, allerdings auf viel kleinerem Niveau als Glenfiddich. Auch die Besitzer von Glenfarclas hören auf den Familiennamen Grant, sie haben allerdings nichts mit der Familie Grant von Glenfiddich zu tun. Genausowenig wie mit der Familie Grant, der die Brennerei Glenlivet gehört. Grant ist halt der Müller/Meier/Schulze Schottlands.

Die Brennerei liegt am Fuße des Berges Ben Rinnes, aus dem auch die Quelle des Wassers entspringt, das zur Whiskyherstellung benutzt wird. Nach dem Berg ist noch eine weitere Distillerie benannt, die nur unweit von Glenfarclas liegt.







Die Führung bei Glenfarclas war viel persönlicher und erfreulich "unprofessionell". Also es wirkte nicht so auswendig gelernt und zeitlich durchgetaktet wie bei Glenfiddich. Und wenn auch Glenfarclas um einiges kleiner ist als die großen Brennereien, können sie sich doch rühmen, die größte Mash Tun aller schottischen Whiskybrennereinen zu haben.






Sagen sie zumindest in der Führung.

Besichtigt wurde auch eines der Lagerhäuser.






Das älteste Fass der Brennerei stammt übrigens aus dem Jahr 1954. Der Whisky darin ist jetzt also 64 Jahre alt. Wieviel Whisky in dem Fass noch enthalten ist, weiß man nicht (durch das Holz diffundiert jedes Jahr ein kleiner Prozentsatz des Whiskys, der sogenannte "Angels Share") und Glenfarclas weiß auch nicht, ob sie den Rest im Fass jemals abfüllen werden.

Die Brennerei hat kein Restaurant, dafür aber einen schönen und beeindruckenden Empfangsraum, in dem die gesamte Kollektion der "Family Cask Serie" von 1952 bis heute zu sehen und zu kaufen ist. Die Preise gehen von wenigen hundert Pfund/Euro bis in die mehreren tausend. Pro Flasche!

Ebenfalls zu sehen ist die älteste bekannte Glenfarclas-Flasche, eine Abfüllung aus dem Jahr 1920. Natürlich unverkäuflich.



Auch der Tasting-Raum ist sehr schön. Es wurden der 12- und der 15-jährige vekostet. 

Dort trafen wir auf Amerikaner und Holländer und plauderten noch ein wenig über unsere Whisky-Vorlieben.

Nach der Besichtigung machten wir uns auf den Weg nach Aberlour, zur Whisky-Bar "The Mash Tun". Den Tipp hatte ich vorher in einem Reisebericht einer Whiskytour im Internet gelesen. Die Burger sollten dort sehr gut sein und über 300 Whiskies sind im Angebot. Unter anderem auch die komplette "Family Cask Serie" von Glenfarclas. Es gibt wohl keine zweite Bar auf der ganzen Welt, die diese Serie komplett im Angebot hat.




"The Mash Tun" liegt direkt neben dem Flussbett des River Spey, der der gesamten Region Speyside ihren Namen gab, getrennt nur durch eine breite, grüne, saftige Wiese.





Nun, die Burger in der Bar waren wirklich ausgezeichnet, die Whiskies konnte ich nur bewundern, weil ich mit dem Auto unterwegs war und lieber ein Bier zum Burger nahm. Nach dem Essen liefen wir dann noch eine Weile am Ufer des Spey auf und ab, bevor wir zurück nach Lossiemouth durch die schöne Speyside fuhren.


Tag 5 - Loch Ness

Um die Geduld und das Verständnis meiner Freundin in Bezug auf Whisky nicht überzustrapazieren (schließlich war die Whisky-Reise vor allem meine Idee), war der nächste Tag frei von Brennereien. Loch Ness stand auf dem Programm.

Ausschlafen, Verzicht auf's Frühstück und los mit dem Auto entlang der Küste. Eine gute Stunde Fahrt lag vor uns. Wir nahmen zunächst die Landstraße direkt an der Küste durch die Urlaubsorte Dopeman und Burghead und nicht die A96, die ein Stück weiter landeinwärts entlang führt, immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, irgendwo zu frühstücken. Zunächst fanden wir nichts.

Später kamen wir dann doch südlich auf die A96, die dann nach Inverness führt. Südlich von Inverness beginnt Loch Ness, ein etwa 35 km langer Süßwassersee aus der letzten Eiszeit.




Etwa auf halbem Wege der Strecke fuhren wir durch den Ort Brodie. Im Vorbeifahren fiel mir ein Schild "Old Mill Inn" am Straßenrand auf und ich sah kurz ein altes, mit Efeu bewachsenes Haus mit Restaurant und Garten. Irgendwas sagte mir, dass wir da richtig wären. Also an der nächsten Kreuzung gewendet und zurück... und wir waren richtig.

Äußerlich ein wenig in die Jahre gekommen, war das Restaurant drinnen genau das, was man sich unter einem typisch britischen/schottischen Restaurant/Pub vorstellte. Tiefe Decken, Holzbalken, massive Möbel, Bilder an den Wänden, Whisky in den Regalen und eine schöne, große, schwere klassische Bar mit Holztresen in der Mitte. Wunderschön!




An den Wänden hingen historische Fahndungsplakate der Polizei aus der Jahrhundertwende 19./.20. Jhdt. Sehr amüsant.



Es war gegen 12.30 und wir waren die ersten Gäste. Es empfingen uns dennoch drei Kellner in weißem Hemd und Krawatte, was den ersten guten Eindruck bestätigte. Kaffee, Tee, Cola und was zu essen, schnell wählten wir aus der übersichtlichen, aber völlig ausreichenden Karte aus. Und auch das Essen enttäuschte nicht. Selten so gute Steak-Sandwiches und gebratene/frittierte Hühnchenkeulen gegessen.





Wer je in der Gegend ist, sollte da unbedingt Halt machen für eine kleine Pause. Später im Jahr sollte auch der Biergarten offen sein. Wir waren ja Ende Mai da, wo die Saison erst gerade beginnt. 

Wir wollten eigentlich nochmal an einem Abend vorbeikommen, haben es dann aber nicht mehr geschafft. Nächstes Mal aber ganz bestimmt.

Dann weiter nach Inverness und südlich auf die A 82 Richtung Lochend, einem kleinen Ort, an dem tatsächlich dann Loch Ness beginnt. Natürlich ist Loch Ness rechtzeitig ausgeschildert. Man kann es nicht verfehlen.

Und dann fuhren wir am Westufer von Loch Ness entlang und stiegen alle paar Kilometer an Parkplätzen aus, weil sich jedesmal eine andere beeindruckende Perspektive auf den See und die Berge am Ostufer bot.








Die A 82 macht zweimal einen kleinen Bogen weg vom Loch Ness, um dann kurz später wieder direkt ans Ufer zurückzukehren. In einem der Bögen liegt der kleine Ort Drumnadrochit, der wegen 3 oder 4 nebeneinanderliegenden Cafès/Bars/Pubs/Restaurants ein beliebter Haltepunkt für Radfahrer, Biker und Autofahrer ist.

Im Loch Ness Café gönnten wir uns Kaffee und Kuchen und fuhren dann weiter am Westufer von Loch Ness Richtung Süden.

Loch Ness endet nach einer Weile dann plötzlich im Ort Fort Augustus, in dem es auch ausreichend Möglichkeiten zum Pause machen und essen und trinken gibt. 

Wir fuhren jedoch direkt weiter nach Osten auf die B 862 in Richtung der Ausläufer der Berge des Cairngorm National Park. Vor uns lag eine atemberaubende Fahrt durch die Highland-Hochebene mit spektakulären Ausblicken, die man leider im Foto so nicht festhalten kann. Wie schon am Loch Ness hielten wir alle paar Kilometer an und genossen die Weite, die klare Luft und die Stille der Highlands. Autos begegneten einem nur alle paar Minuten, so dass die Fahrt sehr entspannt war, trotz der teilweise engen und holprigen Straße. Vor allem auf dem zweiten Teil, als wir dann noch weiter östlich in die Berge auf die B 851 abbogen, die dann später zur A 95 wurde, die sehr gut ausgebaut durch die Berge führt.

Eigentlich war unser Ziel noch einmal Aberlour und das Restaurant "The Mash Tun". Wir hatten am Tag vorher extra einen Tisch für 19 Uhr reserviert, allerdings schafften wir es nicht mehr, pünktlich dort anzukommen. Also bogen wir dann irgendwo Richtung Norden ab und fuhren zurück nach Lossiemouth.

Abends im Hotel wurden dann noch die Proben von Glenfarclas vom Vortag genossen.

Ein schöner Tag.


Tag 6 - Tomintoul und Glenlivet

Und am sechsten Tag schuf Gott die Tomintoul-Distillery.

Natürlich nicht, aber am sechsten Tag konnten wir nun endlich meine Lieblings-Brennerei besichtigen. Tomintoul bietet keine regelmäßigen Touren an, sondern man muss vorher per Mail oder Telefon einen Termin ausmachen, den dann der Production Manager persönlich wahrnimmt. Es gibt also auch keine Tour-Guides, sondern der Herr der Whisky-Produktion von Tomintoul persönlich führt durch die Hallen.

Meine Vorliebe für Tomintoul begann mit dem 12jährigen mit Oloroso-Sherry-Finish und dem wunderbar sanften 16-jährigen. Auch alle anderen Whiskies aus der Standard-Range stehen bei mir im Schrank und gehören wegen ihrer Weichheit zu meinen Lieblings-Whiskies. Dass sie vergleichsweise günstig sind, kommt noch erfreulich hinzu.

Tomintoul ist das höchste Dorf in den Highlands und die Brennerei liegt etwas außerhalb, nördlich des Ortes.

Wir waren für morgens um 10:00 Uhr verabredet. LKWs und Traktoren vor uns auf der Landstraße verzögerten die Anfahrt etwas, aber ein kurzer Anruf, dass wir ein paar Minuten später kommen würden, entspannte die Situation. 5 nach 10 waren wir dann da. Die Brennerei ist nicht leicht zu finden. Es gibt zwar ein Schild an der Hauptstraße, wo man dann zur Brennerei abbiegen muss, aber dann folgt ein recht langer schmaler Weg, bei dem man manchmal nicht mehr sicher ist, ob man noch richtig ist. Da es aber keine weiteren Abzweigungen auf diesem Weg gibt, fährt man einfach weiter und kommt dann irgendwann an, jedenfalls wenn man sich von Norden nähert.




Lagerhäuser und Umgebung am nördlichen Eingangsbereich.



Lieferanteneinfahrt aus Süden vom Dorf Tomintoul kommend.

Die Brennerei liegt wunderschön zwischen Wiesen und Hügeln, abseits von jeglichem Lärm. Ein Paradies, wenn es um den Ort der Arbeit geht. Nebenan fließt der Fluss Avon, der aber nicht das Wasser für die Whiskyherstellung liefert.


Das Wasser für den Whisky stammt aus der nahen Quelle Old Ballantruan, nach der auch die rauchige Abfüllung von Tomintoul bezeichnet ist.

Zweimal im Jahr brennt Tomintoul Whisky aus getorftem Malz, aus dem dann die rauchigen Abfüllungen "Old Ballantruan" und der ohne Alter abgefüllte "Peaty Tang" entstehen. Seit kurzem gibt es aber auch eine 15jährige Abfüllung des "Peaty Tang". Während ich das hier schreibe, habe ich mir einen kleinen Schluck aus ebendieser Abfüllung gegönnt, den ich mir als Probe mit nach Hause nehmen durfte. Wieder ein sehr weicher, samtiger Whisky mit einer leichten trockenen Rauchnote.

Wie gesagt, kurz nach 10 fuhren wir auf den Besucherparkplatz und der Production Manager wartete schon auf uns, zusammen mit einem weiteren Paar aus Schwaben. Eine Tour zu viert verspricht immer mehr Zeit und Infos als die durchorganisierten großen Touren mit 10 Leuten und mehr.

Entspannt und sehr auskunftsfreudig führte uns der Production Manager durch den Prozess der Whiskyproduktion, bis wir im Still House ankamen. Da wurden wir kurz unterbrochen und es gesellten sich zwei ältere Paare hinzu, die, wie sich herausstellte, aus Frankreich kamen, ohne Termin und ohne Ahnung. Typ Professor oder Beamter im Ruhestand plus Gattin. Und sie ließen sich im Schnelldurchlauf nochmal alles erklären, was uns bis dahin gezeigt wurde. Und während wir geduldig warteten, bis es weiterging, fragten die älteren Herrschaften so dies und jenes, wobei man aus den Fragen schließen konnte, dass sie sich mit der Herstellung von Whisky noch nicht wirklich befasst hatten. Ein wenig mehr Zurückhaltung wäre da angebrachter gewesen. Ich gehe ja auch nicht zum Cricket und lasse mir von den Fans jeden einzelnen Spielzug und jede taktische Besonderheit mehrmals erklären. Zumal sich keiner der Herren irgendwelche Notizen machte, um sich das Gehörte auch merken zu können. Es wurde gefragt um des Fragens willen.

Sei's drum, es ging dann weiter und wir konnten trotzdem noch mit dem Production Manager plaudern und Fragen jenseits der normalen Führungen stellen. Für mich war natürlich am wichtigsten, ob der 12jährige mit Sherry-Finish noch eine Weile produziert wird (er wird schießlich als "Limited Edition" vermarktet) oder ob ich mir alsbald einen Vorrat anlegen müsse. Erfreulicherweise gibt es derzeit keine Pläne, die "Limited Edition" einzustellen. Irgendwann könnte mal ein 15jähriger im Sherry-Finish draus werden.

Über die Fässer erfuhren wir auch Interessantes. Der Sherry-Konsum in Spanien und weltweit geht derzeit zurück, weshalb die Sherry-Produzenten froh sind, dass sich Whisky mit Sherry-Finish (also komplette oder kurzzeitige Reifung in ehemaligen Sherry-Fässern) wachsender Beliebtheit erfreut. So können sie ihre nicht mehr benötigten Fässer zu guten Preisen an die Whisky-Brennereien verkaufen. Ein einzelnes Sherry Fass kostet die schottischen Whisky-Brennereien derzeit um 1.000 Pfund! Tendenz steigend. Normale Bourbon-Fässer aus den USA gibt es schon für etwa 90 Pfund!

Ebenfalls neu für mich war, dass Tomintoul nur etwa 10% seiner jährlichen produzierten Menge Alkohol von etwa 3 Mio. Litern für seine eigenen Single Malts verwendet. Der Rest geht als Malt Whisky in die Blendindustrie. So wurde uns von einer japanischen Einzelhandelskette erzählt, die mit Tomintoul als Basis und anderen Whiskies einen Blend in Japan herstellt, der dann als Eigenmarke nur in den eigenen Läden verkauft wird.

Da dieser Whisky direkt in Tankcontainer abgefüllt und verschifft wird, spart man sich die Kosten für Lagerung und Reifung und Abfüllung. Das übernimmt alles der Käufer. Daher ist die "Fremdproduktion" profitabler als die Herstellung des eigenen Single Malts.

Tomintoul stellt selbst auch Blends her, die dann unter anderen Namen weltweit vertrieben werden. Dazu werden Fässer von nahezu allen großen Brennereien gekauft, die dann nach Kundenwunsch mit Tomintoul-Whisky "verschnitten" werden.

Wir warfen natürlich auch noch einen Blick in die Lagerhäuser. Es gibt ein Lagerhaus mit den "Fremdwhiskies", in dem die Fässer aus den anderen Brennereien lagern. Da sind sie alle vertreten. Die rauchigen Bowmore, Laphroaig, Lagavulin, die milden Glen Grant, Auchentoshan usw...


Lager für fremde Whiskies zum Blenden:





Lager für die Fässer mit eigenem Single Malt:



Nach der Führung gab es noch eine kurze Verkostung. Zur Auswahl standen der 12jährige, der 16jährige und der Peaty Tang. Da ich alle diese Flaschen zu Hause habe, durfte ich mir stattdessen den 21jährigen, den 15jährigen "Old Ballantruan" und den neuen 15jährigen "Peaty Tang" abfüllen.

Sehr großzügig, wie ich finde, bieten doch die anderen Brennereien meist nur ihre Standard-Whiskies an, die man eh schon kennt.

Nach der Verkostung gab es nochmal Aufregung, weil es unsere französischen Freunde plötzlich ganz eilig hatten, da ihr nächster Programmpunkt anstand, sie aber unbedingt noch ein paar Whiskyflaschen mitnehmen wollten. Dazu musste dann erstmal Platz in den Koffern geschaffen werden. Auch in den Koffern der Gattinen, was dann zu Problemen bzgl. der Auswahl der herauszunehmenden Kleidung führte.

Uns war es egal, da wir genügend Zeit hatten. Unser nächster Termin war erst am Nachmittag um 15 Uhr bei Glenlivet. Und die Brennerei liegt nur ein paar Autominuten von Tomintoul entfernt. 

Alles in allem eine sehr schöne Führung in meiner Lieblings-Brennerei, die zwar nicht mit modernem Besucherzentrum oder eindrucksvollem Shop oder Tasting-Room aufwarten konnte, dafür aber mit wunderschöner Lage und einer entspannten und interessanten Führung.

Wir bekamen noch einen Tipp, wo wir in Tomintoul ein gutes Essen zum Lunch bekommen und kehrten dann ins "The Clock House" in Tomintoul ein. Gute Küche, gute Preise, schönes Lokal... ein Tipp, falls man mal dort ist.

Gegenüber vom "The Clock House" liegt der bekannte Whisky-Laden "The Whisky Castle", in dem mehrere hundert, teilweise exklusive Abfüllungen angeboten werden und zum großen Teil auch proviert werden können.




Angesichts der hohen Alkoholsteuern in UK kann man dort aber keine Schnäppchen machen und ein wenig überforderte mich auch das überwältigende Angebot.

So liefen wir dann noch ein wenig durch den kleinen Ort und machten uns dann auf den Weg Richtung Glenlivet-Brennerei.







Auch Glenlivet liegt schön mitten in der Natur und verfügt als große Brennerei natürlich auch über ein sehr schönes Besucherzentrum.

Single Malt Whisky wird dort natürlich, mit Ausnahme kleiner Abweichungen auf dieselbe Art produziert wie in den anderen Brennereien. Die Führung war mit 6 Gästen noch recht individuell und der Tour-Guide wusste sehr viel über die Geschichte, gerade auch im Zusammenhang mit der politischen Situation damals zu erzählen. Schließlich gibt es viele interessante Verbindungen zwischen deutschen und britischen Adels- und Königsgeschlechtern, die auch die Whiskyproduktion beeinflussten.

Glenlivet hat, ähnlich wie Glenfiddich als "Erfinder des Single Malts" ebenfalls eine besondere Rolle in der schottischen Whiskyindustrie inne, waren sie doch die ersten, die mit offizieller Lizenz Whisky brannten, was ihnen damals den Zorn der illegal brennenden Farmer in der Gegend einbrachte. Steuern auf das "Wasser des Lebens" zu zahlen, und dann noch an den englischen Hof, der zudem damals noch von einem Deutschen besetzt war, das ging zu weit!

Dennoch setze sich Glenlivet mit herausragender Qualität damals durch. Die Qualität war so gut, dass viele andere Brennereien aus der Region einfach ihrem Whisky den Namenszusatz "Glenlivet" verpassten. Schließlich ist Glenlivet (Das Tal des Livet) ja auch eine Region innerhalb der Speyside. Allerdings waren darunter auch viele Brennereien von minderer Qualität, so dass die "Original-Brennerei" Glenlivet irgendwann einen Markenrechtsprozeß anstrengte und auch gewann. Die Bezeichnung "The Glenlivet" stand ab diesem Zeitpunkt nur der Brennerei zu. Noch heute ist auf vielen Fässern verschiedener Brennereien der Name Glenlivet zu sehen. Diese stammten aus der Zeit der damaligen "Markenpiraterie".

Highlight der Führung war eine kurze Kostprobe des Einstiegs-Whiskies "The Founders Reserve" und zwar direkt aus dem Fass. In der Flasche hat dieser Whisky später nur 40% Prozent Alkohol und ist sehr mild und weich im Geschmack. In Fassstärke hat er weit über 60% und ist eine Alkohol-Bombe! Überhaupt nicht vergleichbar mit der Flaschenabfüllung. Mir persönlich hat er sofort die Geschmacksnerven betäubt. Später dann mit ein paar Tropfen Wasser verdünnt, ging der Alkohol zurück und die Aromen öffneten sich.

Eine sehr schöne Idee, wie ich finde, einen Standard-Whisky mal so zu präsentieren, wie er vor der Abfüllung in natura vorliegt.

Zur weiteren Verkostung im Tasting-Room wurden dann noch die Standard-Abfüllungen 15 und 18 Jahre angeboten, dazu gab es für jeden Besucher noch ein kleines Whiskyglas.



 Tasting-Room von Glenlivet




Nach der Besichtigung fuhren wir noch ein wenig in der Gegend herum, schauten kurz bei Aberlour's vorbei, die aber schon für den Besucherverkehr geschlossen waren.







Da wir noch Zeit hatten, fuhren wir noch mal nach Craigellachie. Zum einen wollte ich noch ein Foto der Brennerei machen, die meinen zweitliebsten Whisky produziert (Craigellachie 17 Jahre) und zum anderen gab es im Ort das "Highlander Inn". Ein Hotel mit Whiskybar und Restaurant mit schönem Biergarten. Auch wieder ein Tipp aus einer Facebook-Gruppe.





Da ich der Autofahrer war, verzichtete ich zum Essen auf ein Bier, trank stattdessen Cola und gönnte mir dafür hinterher noch einen schönen Whisky, den ich dann anschließend auf der sonnendurchfluteten Terrasse mit einer weiteren Cola "verdünnte". Also nacheinander. Keine Panik!

Nach zwei chilligen Stunden in diesem kleinen Paradies fuhren wir zurück nach Lossiemouth.


Tag 7 - Edradour und Bridge of Cally

Ausschlafen, kurzes Frühstück und dann weg von Lossiemouth in Richtung Süden. Für die nächsten zwei Nächte hatten wir ein Hotel in Bridge of Cally, welches auch genau so hieß.

Etwa 2,5 Stunden Autofahrt lagen dazwischen, auf der A 9 nach Süden quer durch die Berge des Cairngorm National Park. Auf dem Weg dorthin lag eine Brennerei, auf deren Besuch ich mich besonders freute. Edradour. Zum einen hat wohl jeder Whisky-Freund gewisse Sympathien für diese kleinste aller schottischen Brennereien und zum anderen schmeckt mir die 10jährige Standard-Abfüllung sehr gut und steht natürlich auch in meinem Whisky-Regal. Zudem war die Webseite der Brennerei äußerst sympathisch und einladend. Einfach vorbeikommen, keine Termine notwendig und dann geht es los.

Die Brennerei liegt nahe des Ortes Pitlochry, in dem wir auch einen kurzen Zwischenstopp zum Lunch machten. 

Aber erstmal ging es durch die Highlands auf der gut ausgebauten A 9 Richtung Süden. Rechts und links Felder, Weiden und die Berge. Wunderschön.





Ebenfalls auf dem Weg Richtung Edradour und direkt neben der A 9 liegt Dalwhinnie. Da ich die Dalwhinnies auch sehr mag, wollte ich wenigstens mal einen kleinen Abstecher machen und mir die Brennerei von außen ansehen. Ich hatte keinen Besichtigungstermin, aber das steht schon jetzt auf meinem "Arbeitsplan" für die nächste Schottland-Reise im nächsten Jahr.






Der Ort und die Brennerei haben eine eigene Autobahnausfahrt. Hier mal die Ansicht der Ausfahrt von Google Street View.






Beim Betrachten des Bildes möge man bedenken, dass man links fährt und dann über die rechte Autobahnspur abbiegt. Und als ich da war, war die Autobahn nicht so leer wie auf dem Bild. Also das ist schon eine kleine Herausforderung, zwischen den mit 70 Meilen entgegenkommenden Autos auf die Ausfahrt "durchzuschlüpfen". In Deutschland undenkbar, aber eigentlich auch keine unlösbare Herausforderung. Will sagen: es geht! Und: man spart Kosten für die bogenförmigen Abfahrten und Brücken.

Die Straße nach Dalwhinnie, quasi parallel zur Autobahn sah dann etwa so aus (Bild von Google Street View): 



Kein Mittelstreifen, rechts und links unbefestigt und gerade breit genug für zwei Autos. Ich musste dann lernen, dass es auch für ein Auto und einen LKW reicht.

Ich fuhr so gemütlich vor mich hin, vor mir ein anderes Auto und sah dann im Rückspiegel ein paar hundert Meter hinter mir einen blauen LKW. Nur wenige Augenblicke später, in denen ich nicht mehr in den Rückspiegel geschaut hatte, wurde es plötzlich schattig von rechts und mit lautem Gebrüll und Geächze überholte mich das blaue Ungetüm, das doch eben noch hunderte Meter hinter mir war, in ein paar Zentimetern Abstand. Schreck!

Er reihte sich dann zwischen mir und dem Vordermann ein und ich sah permanent die Bremslichter des LKW aufflackern, weil ihm der andere PKW vor ihm nicht schnell genug war. Ich hielt Sicherheitsabstand, bis der LKW irgendwann auch den anderen PKW überholte.

Nach ein paar Minuten kamen wir dann in Dalwhinnie an. Kurz ein Foto der Brennerei gemacht und weiter.


 

Im nächsten Jahr werden wir ganz sicher die Brennerei besichtigen.

Wir fuhren dann weiter, zurück auf die Autobahn und Richtung Pitlochry.

In Pitlochry liegt auch noch die Brennerei Blair Athol, welche, wie sich später herausstellte, den bisherigen Lieblingswhisky meiner Freundin produziert. Wir hatten aber Edradour auf dem Plan. 

Somit haben wir also noch einen Tagesordnungspunkt für unsere nächste Reise nach Schottland.

Irgendwann zur Mittagszeit kamen wir dann in Pitlochry an und kehrten ein im McKays, einem Hotel mit öffentlichem Restaurant mitten im Zentrum von Pitlochry. Die Stadt erinnert  ein wenig an eine Westernstadt. Fehlen nur die Schwingtüren in den Bars. Niedrige Gebäude mit viel Holz entlang der Mainstreet, viele kleine Läden und Bars und Hotels.

Das Mc Kays lädt mit amerikanischen und schottischen Standards zum Essen ein und hat in seiner Bar auch eine gute Auswahl an Single Malts. Zweimal in der Woche gibt es abends Live-Musik.

Es könnte beim nächsten Schottland-Urlaub ein Domizil für ein paar Tage werden.

Nach einem guten Lunch im Restaurant des McKays ging es dann zu Edradour. Es sind nur knapp 10 Minuten Autofahrt. Gleich neben dem Hotel links abbiegen und dann den Schildern folgen. Die Brennerei ist eigentlich noch näher, man muss nur mit dem Auto einen Bogen machen, um einen kleinen Hügel zu umfahren, hinter dem die Brennerei liegt.

Wir kamen ungefähr 20 Minuten vor dem Beginn der nächsten Tour an und hatten somit noch etwas Zeit, uns im Shop umzusehen.

Edradour gehört übrigens dem unabhängigen Abfüller Signatory Vintage, hinter dem ein Mann namens Andrew Symington steht. Er startete zunächst als Unabhängiger Abfüller und übernahm dann später die Edradour Brennerei, um sich eine zusätzliche Einnahmequelle für die Zukunft zu sichern. Denn wenn Andrew Symington auch zu den am besten vernetzten Unabhängigen Abfüllern gehört, wird es auch für ihn schwieriger, gute Fässer von allen Brennereien zu bekommen. Diese verkaufen ihren Single Malt lieber selbst unter eigenem Namen.

Zur Zeit jedenfalls gibt es noch eine riesige Auswahl an Whiskies unter dem Label Signatory Vintage, welche man natürlich auch alle im Edradour-Shop kaufen kann.

Tipp: Edradour ist wohl der einzige Ort in England/Schottland, wo man Whisky noch zu vergleichbaren Preisen wie in Deutschland bekommen kann. Der Whisky wird dort zu ähnlichen Preisen wie in Deutschland (nach Währungsumrechnung!) verkauft. Edradour verkauft dort wahrscheinlich zu Händler-Einkaufspreisen. Oder nur mit geringer Marge. Jedenfalls habe ich dort zum ersten Mal konkurrenzfähige Preise für Whisky in UK gesehen. Und ich bin auch fündig geworden und habe zwei Neuzugänge für den privaten Whiskyschrank erworben.

Den einen, einen 20jährigen Glen Grant habe ich bei den einschlägigen deutschen Online-Händlern gar nicht gefunden und der andere, ein fast 18jähriger Linkwood war günstiger als in Deutschland.

Insgesamt habe ich für die beiden Whiskies, immerhin fast 18 und 20 Jahre alt, nur etwa 110 Euro bezahlt. Ein guter Preis für solche Alter, wie ich finde. Und natürlich hab ich sie inzwischen auch probiert und die Ausgabe nicht bereut.





Der Glen Grant zum Beispiel besticht durch phantastische Zitrus-Noten in Aroma und Geschmack. Beim ersten Verkosten wirkte er auf mich aber wie ein junger Whisky. Sehr direkt und geradeheraus. Die fast 20 Jahre nahm ich ihm nicht ab und war etwas enttäuscht, hinsichtlich der Komplexität. Aber wie es so ist bei Whisky... es hängt sehr von der "Tagesform" ab. Und davon, was man vielleicht vorher gegessen und getrunken hat, jedenfalls hat mich der Glen Grant beim zweiten Mal begeistert. Er darf wiederkommen. Wenn er dann irgendwann mal alle ist und in Deutschland verfügbar.

Die Tour bei Edradour begann mit einem schönen Film und einem kleinen, sehr hilfreichen "Trick". Die Verkostung wurde an den Anfang gesetzt. Das hat den Vorteil, dass die Autofahrer während der Tour danach wieder ein wenig "herunter kommen können" und man, sagen wir mal, eine positive Grundeinstellung zur Tour bekommt.

Verkostet wurden natürlich die 10jährige Standard-Abfüllung und der leicht rauchige Ballechin. Gefallen haben mir beide.

Die Tour war amüsant, mit bekannten und unbekannten Informationen und Einblicken. Bekannt war, dass Edradour in einem Jahr etwa so viel Whisky produziert, wie Glenfiddich in 4 Tagen!

Mir unbekannt war die traditionelle Form der Abkühlung der Maische, bevor sie in die Washbacks zur Gärung kommt. Grund für die Abkühlung ist, dass die Hefekulturen etwas über 20 Grad brauchen, um "arbeiten" zu können, also den Zucker in Alkohol umwandeln. Die Herauslösung des Zuckers aus dem Malz vorher benötigt aber hohe Temperaturen. Das von Kornresten befreite Zuckerwasser wird "altmodisch" in einem sogenannten Morton-Refrigerator über Kupferrohre geleitet, die in einem Bad aus kühlem Quellwasser liegen. Durch Temperaturausgleich durch die Kupferrohre wird das "Zuckerwasser" abgekühlt. Auf ähnliche Art tut das noch Craigellachie, die die sogenannten "worm tubs", also ringförmige Kupferrrohre benutzen. Leider war ich so fasziniert, dass ich vergaß, ein Foto zu machen.

Da die Brennerei nur so wenig Whisky produziert, ist der Arbeitsalltag dort auch entsprechend entspannt. Die drei (!!!) Arbeiter kommen morgens um 9 zur Arbeit, mashen und washen ein wenig rum und um 17 Uhr schließen sie die Brennerei ab und gehen nach Hause. In der Zwischenzeit gärt der Whisky vor sich hin und ab und zu wird dann auch Whisky gebrannt.

Die Brennerei hat gerade eine zweite Produktionslinie eröffnet, die der ersten gleicht (nur diesmal alles unter einem Dach und hintereinander weg aufgebaut in der richtigen Reihenfolge der Produktion) und wodurch der Whisky-Absatz gesteigert werden kann.





Die Quelle, aus der die Brennerei ihr Wasser bezieht, heißt auch Edradour.




Tasting Room:

  


Fasslager von Edradour:

 


Fässer von Bunnahabhain aus dem Jahre 1975. Man denkt bei Signatory Vintage über eine baldige Abfüllung nach. Spoileralarm!





Umgebung der Edradour Distillery.




Nach der Tour ging es dann Richtung Bridge of Cally, zu einem wirklich wunderbaren kleinen, schönen Hotel im Niemandsland.



Tag 8 - Highland Games

Am Vorabend waren wir gegen 18 Uhr im Ort Bridge of Cally und im gleichnamigen Hotel angekommen. Nach den bisherigen beiden Hotels eine äußerst angenehme Überraschung. Das Hotel liegt am Rande des kleinen Ortes an der A 93 und an einer Brücke über den Fluss Ericht.




Das Hotel ist wunderschön. Ein richtiges kleines Juwel. Liebevoll eingerichtet, große Zimmer, sehr gut ausgestattete Bäder mit Regenduschen und Badewannen, alte Möbel, Bilder, dicke Teppiche, eine schöne Bar mit einer ausreichenden Auswahl an Single Malts und einem schönen Wintergarten, in dem das Restaurant untergebracht ist. Es erinnert an schöne deutsche Landgasthöfe, war aber doch irgendwie britisch.

Whiskyfass im Eingang des Hotels:




Es ist familiär geführt und eine nette, fleißige Mitarbeiterin kümmert sich den ganzen Tag um alles. Gegen 22 Uhr hat sie dann auch Feierabend und das Hotel "schließt". Man erhält den Code für die Eingangstür, falls man erst nach 22 Uhr von einem Ausflug wiederkommt. 


Wir bestellten für 19 Uhr einen Tisch im Restaurant. Die Karte war übersichtlich, aber man hatte Gerichte im Angebot, die nicht dem Durchschnitt von schottischen Restaurants/Hotels entsprachen. Bei uns würden wir das wohl regionale Küche mit internationalem Einschlag nennen.


Okay, das Essen war liebevoll zubereitet, aber es erfüllte nicht ganz die Erwartung, die man aufgrund der Karte und der Atmosphäre und auch der Preise hatte. Aber egal, es war wirklich gutes Essen und mein einziger Kritikpunkt war eigentlich, dass die dunkle kräftige Soße die Lammkeule, das Gemüse und die Kartoffeln völlig im Geschmack überdeckten. Die Soße für sich war gut, aber eben viel zu stark.


Es gibt aber schlimmere Dinge, über die man sich in einem Restaurant ärgern kann. Also unter dem Strich ist auch das Restaurant eine klare Empfehlung. Wem es doch zu teuer ist, der sollte sich vorher ein wenig über die Möglichkeiten in der Umgebung informieren. Bridge of Cally ist so ein typischer Ort wie viele andere in den Highlands. Nur ein paar Häuser, die recht weit verstreut liegen. Und der nächste Ort ist dann wieder ein paar Kilometer entfernt.

Bei Google Maps sieht man, dass der Ort sogar ein Postamt und ein Gemeindezentrum hat. Er muss also doch eine gewisse Größe haben, die man von der Straße aus aber so nicht wahrnimmt.

Nach dem Essen gönnten wir uns noch ein paar Drinks an der Bar und gingen dann schlafen.


Das Frühstück am nächsten Morgen ließen wir ausfallen. Wir wollten lieber ausschlafen, da wir keine Termine an dem Tag hatten, sondern nur irgendwann nach Blackford zu den Highland Games fahren wollten.


Den Tipp hatte ich von der freundlichen Empfangs-Mitarbeiterin (Sabine aus Deutschland) der Tullibardine-Brennerei bekommen. Denn die Brennerei liegt ebenfalls im Ort Blackford und ich hatte vorher von Deutschland aus einen Termin für eine Besichtigung vereinbart. Die sollte dann am Sonntag sein. Am Tag vorher, also heute in diesem Reisetagebuch, fanden die lokalen Highland Games in Blackford statt.


Überall in Schottland finden am letzten Samstag im Mai die lokalen Ausscheidungen für die schottischen Highland Games statt. Manche Orte/Regionen veranstalten die Spiele auch nur so zum Spaß, ohne als Qualifikation für größere Wettbewerbe zu dienen.


Also fuhren wir dann nach Blackford über die A 93 durch die südlichen Highlands, durch schöne Orte wie Blairgowrie, Scone und durch die größere Stadt Perth.


Etwa auf halbem Weg, noch vor Perth liegt der kleine Ort Lethendy, in der Nähe von Scone. Und direkt an der A 93, hinter einer Doppelkurve liegt der Hofladen eines lokalen Farmers, der auch Erdbeeren, Blaubeeren, Himbeeren usw. aus eigenem Anbau anbietet. Dazu gibt es frische Milch, Sandwiches, Wurst, Käse und viele andere kleine Leckereien. Wir hielten also dort an und holten unser Frühstück nach mit frischen Erdbeeren, frischer Milch, Sandwiches und Sahne-Baisers.


Ein perfekter Ort für eine kurze Pause.

So sieht das bei Google Street View aus. Links die Einfahrt und der Hofladen mit den großen roten Erdbeerschildern und links und rechts der Straße sieht man die Gewächshäuser des Farmers.





Nach dieser kurzen Pause ging es dann weiter nach Blackford zu den Highland Games.

Diese fanden auf einer großen Wiese am Ortseingang statt. Man hatte auf dem Gelände eine Stadionrunde abgezäunt und davor waren Dutzende Marktstände für Essen und Trinken und Kunsthandwerk und allerlei Kram.

Im Inneren fanden die sportlichen Wettkämpfe statt.

Die Highland Games natürlich mit Baumstammweitwurf, Kugelstoßen und Gewichte rückwärts nach oben über eine Stange schleudern. Dazu gab es Tauziehen, Wettbewerbe für schottische Tänze, Dudelsack, Sprint- und Ausdauerrennen sowie ein Radrennen auf Rasen (!!!). Das hatte ich vorher noch nicht gesehen. Im vollen Tempo auf einem Rennrad um eine Stadionrunde fahren auf frischem, immer leicht feuchten schottischen Rasen. In einem dichten Pulk. Wahnsinn. Von etwa 10jährigen bis hoch zu etwa 40jährigen fuhren die Radler in ihren Altersgruppen um den Sieg.

Wir besorgten uns Kaltgetränke und legten uns gemütlich auf die Wiese und schauten entspannt zu. Um uns herum viele Familien, Alte und Jugendliche... es war wie ein großes Familientreffen. Jeder kannte fast jeden, alle waren freundlich und guter Laune. Wahrscheinlich sind diese Highland-Games so ähnlich wie unsere Schützenfeste in Deutschland, wo man sich einmal im Jahr trifft und wo auch viele hinfahren, die aus dem Ort kommen, aber inzwischen woanders wohnen. Die Stimmung war jedenfalls fröhlich und entspannt. Trotz des vielen Bieres, dass natürlich in Massen floss.

So kann man auch einen Tag verbringen. 

Gegen 18 Uhr waren die Spiele dann vorbei und wir fuhren entspannt zurück Richtung Bridge of Cally. Wir hielten unterwegs noch irgendwo an und aßen was zum Abendbrot und überlegten noch, ob wir uns in einem Pub das Champions League-Finale ansehen. Da ich dazu aber gern zwei, drei Bier getrunken hätte und ich danach nach Hause hätte fahren müssen, ließen wir das und ich verfolgte dann im Hotel das Finale nebenbei im Liveticker. Da die Bayern ja nicht dabei waren, war mein Bedürfnis, das Spiel unbedingt sehen zu müssen, nicht sehr groß.

Dazu gab es im Hotel dann noch ein paar Drams unserer Whiskies, die wir bis dahin so "eingesammelt" hatten und dann war der Tag dann auch irgendwann vorbei.


Tag 9 - Tullibardine und Glasgow

Am nächsten Morgen verzichteten wir wieder auf's Frühstück im Hotel, denn auf unserem Weg nach Blackford zu Tullibardine lag ja der kleine Hofladen des Farmers in Lethendy. Dort hielten wir an, holten uns wieder Erdbeeren, Sandwiches und frische Milch und dann ging es weiter.

Pünktlich kurz vor 11 Uhr kamen wir an der Brennerei an und wurden begrüßt von Sabine, mit der ich am Telefon vorher den Termin vereinbart und die mir den Tipp mit den Highland Games gegeben hatte.

Die Brennerei liegt direkt am Ortseingang von Blackford. Die kleine Herausforderung, von der linken Spur über den Gegenverkehr auf der rechten Spur in den Ort einzufahren, habe ich ja schon vorher berichtet. 





   
Zu unserer Überraschung waren wir die einzigen beiden Gäste auf der Führung. Entsprechend entspannt und ausführlich wurde uns dann alles gezeigt.

Tullibardine ist für mich eine der unterbewerteten Brennereien. Ihre Standard-Range von 4 No-Age-Statements-Whiskies, die sich in der Fassreifung unterscheiden, stehen bei mir im Schrank und gehören zu meinen Lieblings-Everyday-Whiskies.

Der ausschließlich in Ex-Bourbon-Fässern gereifte Sovereign mit seiner schönen Vanillenote, der 225, der in Weißweifässern reifte, der 228 mit Reifung in Burgunder-Rotweinfässern und der 500 mit Sherryfassreifung. Es gibt sicher noch komplexere Sherry-Bomben, allerdings nicht in der Preisklasse. Die No-Age-Statement-Whiskies haben laut Aussage unseres Tour-Guides so etwa 8, 9, 10 Jahre Reifung im Fass hinter sich.

Ebenfalls zur Standard-Range gehören noch eine 20jährige und eine 25jährige Abfüllung, die ich aber noch nicht probiert habe.

Und dann gibt es da noch die Fassstärke-Abfüllung "The Murray". Zu dieser gibt es eine interessante und amüsante Geschichte.

Der in der Whiskyszene sehr bekannte deutsche Whisky-Online-Händler Horst Lüning (whisky.de) hat sich die Vertriebsrechte für diesen Tullibardine exklusiv gesichert. Also diesen Whisky gibt es nur in Deutschland zu kaufen und dann auch nur bei Horst. Aber auch nicht einfach so. Der "The Murray" ist die Clubflasche von whisky.de. Wird man dort Mitglied, bekommt man die Flasche und dann noch Rabatt im Shop.

Nicht mal Tullibardine selbst kann die Flasche in seinem Brennerei-Shop verkaufen. Die freundliche Sabine hatte aber noch einen Rest unter dem Tresen. Diese Flasche hatte ihr ein Besucher der Brennerei extra aus Deutschland mitgebracht. Sachen gibt's.

Da wir eine Weile nett geplaudert hatten, verriet sie mir von ihrem "Geheimvorrat" unter'm Tresen und wir durften sogar einen kleinen Schluck probieren. Der "The Murray" wird in exklusiven Rotweinfässern nachgereift und schmeckt so fruchtig-dunkel, wie er beschrieben wird.

Die Tour ging dann natürlich entlang des Produktionsprozesses, welcher bei Tullibardine extrem effizient gestaltet ist. Kein Wunder: der Eigentümer von Tullibardine ist ein französischer Brauerei- und Brennerei-Designer. Er hat sich also früher viele Jahre mit der optimalen Anordnung der Produktionsprozesse in Brauereien und Brennereien beschäftigt. Bei Tullibardine ist die gesamte Produktion unter einem Dach in einem relativ überschaubaren Haus. Jeder Platz ist ausgenutzt.

Die Brennblasen arbeiten seit den 60er Jahren. Bei einer wurde die obere halbrunde Abdeckung vor ein paar Jahren ausgetauscht. Sechs Wochen stand dafür die Brennerei still, das Dach musste abgedeckt werden, um die tonnenschweren Brennblasenteile mit einem Kran auswechseln zu können.







Wir besichtigten auch das Lager, bzw. eines von 4 Lagerhäusern auf dem Gelände der Brennerei.





Die Zahl 1488 ist natürlich weitestgehend ein Marketing-Gag. Mit der Whiskyproduktion und der Brennerei hat es nichts zu tun. Der Erzählung nach soll König James IV. von Schottland 1488 zu seiner Krönung (oder Hochzeit ?) in der Bierbrauerei in Blackford, auf deren Gelände heute die Whisky-Brennerei steht, Bier bestellt haben. Es gibt auch tatsächlich noch ein Bier mit dem Markennamen 1488, welches im Tullibardine-Shop verkauft wird, es hat aber nichts weiter mit der Brennerei zu tun.

Nach der launigen und informativen Tour gab es die übliche Verkostung. Zur Wahl standen drei Whiskies aus der Standard-Range. Da ich die alle zuhause habe, kramte ich meine Überzeugungs-Skills heraus und startete eine Charme-Offensive, an deren Ende ich mir dann den 20jährigen Tullibardine in einer kleinen Sample-Flasche abfüllen konnte. Dazu wählte ich mir noch die Rotwein-Finish-Abfüllung.






Nach gut 1,5 Stunden waren wir dann durch und verließen die Brennerei. Wir bekamen noch den Tipp, den Alkoholgeruch im naheliegenden Cafe/Pub "Blackford Inn" durch einen Kaffee zu neutralisieren.

Und dieser Tipp war mal wieder genau richtig. Das "Blackford Inn" liegt nur knappe 100 Meter entfernt von der Brennerei an der Hauptstraße. Zumindest indirekt. Denn zum Pub führt eine etwa 50 Meter lange schmale Toreinfahrt und danach erreicht man ein kleines Paradies. Es wirkt wie eine alte Hippie-Kneipe. Es saßen drei Jugendliche aus dem Ort auf Bierbänken vor dem Pub und entspannten bei einer Pinte Bier. Genaugenommen waren es 3 Pintes, während wir unseren Kaffee schlürften. Den Kaffee bereitete und servierte einer der Jugendlichen, obwohl ihm das Pub nicht gehörte. Stammgäste aus dem Dorf halt. Man kennt sich. Nach und nach kamen noch andere Leute dazu und man plauderte so von Tisch zu Tisch. Es war wunderbar. Die Sonne schien, es war ein zurückgezogener, leicht altmodischer Pub, der Biergarten umgeben von Hecken und Bäumen... ich wünschte, ich hätte ein Hotel im Ort gehabt, so dass ich auch noch ein paar kühle Bier in der Mittagssonne hätte trinken können. Aber wir waren mit dem Auto da und auf dem Weg in Richtung Glasgow.

Also tranken wir zwei Kaffee, chillten und plauderten mit den Einheimischen und machten uns dann auf den Weg nach Glasgow, wo unsere Reise ihr planmäßiges Ende finden sollte.


Wir kamen am Nachmittag in Glasgow an und die Umstellung war zunächst schwierig. Nach ein paar Tagen in den von Menschen nur gering besiedelten Highlands und in der Speyside, wo die Dörfer und Städtchen nur hin und wieder die Natur unterbrechen, war das pralle Stadtleben zunächst ein kleiner Schock. Hohe Häuser, Beton und Autos statt Wiesen, Flüsse, Berge und frische Luft. Und das sagt einer, der aus Berlin kommt.

Aber der Mensch gewöhnt sich an alles und wenn man erstmal akzeptiert hat, dass man sich nun in einer Stadt befindet, ist Glasgow gar nicht mal so übel.

Unser Hotel, das Mercure liegt mitten in der Innenstadt, nahe am George Square. Also alles, was man braucht, ist um die Ecke. Auch alles, was man nicht braucht.

Das Hotel ist absolut empfehlenswert. Die Lage, die Zimmer, der Preis, nur das Frühstück ist eben typisch schottisch. Also ohne irgendwelche kontinentalen Spielereien wie frische Tomaten, Gurken, Paprika usw.

Aber okay, die Dichte an "Costa's", "Starbucks", "Pret a Manger" usw. ist im Zentrum von Glasgow so hoch, wie ich es bisher in keiner Stadt erlebt habe. Man findet also immer irgendwas Leckeres und Gesundes.

Im Hotel angekommen, machten wir uns kurz frisch und fuhren dann zum Flughafen, um den Mietwagen abzugeben. Zurück zum Stadtzentrum mit dem Bus und dann liefen wir einfach durch das abendliche Glasgow und endeten in einem der unzähligen Burgerrestaurants. Also nicht McDonalds, sondern richtige Burger.

Wir waren im "Gourmet Burger Kitchen" in der St. Vincent Street. Wir hätten aber auch direkt nebenan ins "Five Guys" oder gegenüber ins "Handmade Burger & Co." gehen können. Oder in eines der Steakhäuser, oder indischen oder italienischen Restaurants. Verhungern tut man jedenfalls nicht in Glasgow.

Nach Burgern, Cola und Bier noch ein schöner Milchshake und wir liefen zurück ins Hotel.

Am nächsten Tag schliefen wir erst einmal aus und verzichteten auf's Hotel-Frühstück. Gegen Mittag machten wir uns dann auf den Weg, die Stadt weiter zu erkunden. Vorher noch einen kurzen Abstecher zu Ralph Lauren und BOSS, die direkt gegenüber vom Hotel ihre Flagship-Stores hatten und die nette Verkäuferin bei RL gab uns noch ein paar Tipps, welche angesagten Gegenden von Glasgow wir noch besuchen könnten.

Wir entschieden uns dann für den Ortsteil Finnieston. Das soll das derzeitige In-Viertel von Glasgow sein. Mehrere Straßenzüge voll mit Pubs/Restaurant und kleinen Läden, hippes Publikum usw... Naja, wer aus Berlin kommt, so wie wir, der kennt sowas, aber trotzdem machten wir uns auf den Weg. 

Wir gingen zum Ufer des River Clyde und liefen dann am Ufer des Flusses entlang westlich Richtung Finnieston. Das Wetter war phantastisch. So um die 25 Grad, leichte Brise, ab und zu mal eine Wolke... herrlich. Überhaupt hatten wir bei unserem ersten Schottland-Urlaub richtig Glück mit dem Wetter. Die ersten drei Tage waren sehr durchwachsen mit Regen und Wind, aber dann hatten wir 6 oder 7 Tage am Stück mit angenehmen 20 bis 25 Grad, leichtem Wind, kaum Regen (ich glaube zweimal nachts regnete es)... sehr ungewöhnlich für diese Jahreszeit, wie uns alle Schotten immer wieder bestätigten.






Naja, jedenfalls liefen wir dann eine gute Stunde am Ufer des Clyde entlang und kamen dann nach Finnieston. Am Exhibition Center vorbei kamen wir dann auf die Argyle Street, die wir schon aus dem Stadtzentrum kannten. Die Straße zieht sich ziemlich lang in Ost-West-Richtung durch Glasgow,

Argyle Street und die Straßen nördlich davon bildeten dann das hippe "In"-Viertel von Glasgow. Wir kennen so etwas aus Berlin, wie schon gesagt, aber dennoch ist die Gemeinsamkeit nur, dass eine Bar neben der anderen liegt. Die Bars/Restaurants selbst sind dann schon anders, schon allein deshalb, weil es in jeder Bar eine gute Auswahl an schottischem Whisky gibt.

Wenn man tagsüber oder abends irgendwo hin will, wo viele Leute sind, wo was los ist, wo man eine große Auswahl an Pubs/Bistros oder Restaurants hat, ist Finnieston das richtige Viertel.

In irgendeiner Bar kehrten wir dann ein und gönnten uns zwei Whisky und gingen dann weiter. Es war inzwischen später Nachmittag/früher Abend und wir wollten noch etwas essen. Obwohl es natürlich in Finnieston genug Möglichkeiten gab, fuhren wir mit dem Taxi zurück in die Innenstadt, denn auch dort hatten wir während unserer Stadtbummel einige schöne Restaurants entdeckt und für eines davon wollten wir uns entscheiden. Außerdem wollten wir nach dem Essen unbedingt noch ins "The Piper" gehen, einer Whiskybar gleich um die Ecke vom Hotel, wo es noch Livemusik gab.

Mit dem Taxi fuhren wir also zum Hotel, machten uns kurz frisch und gingen dann wieder los, um ein schönes Restaurant zu suchen. Leider hatten wir uns nicht gemerkt, wo die Restaurants genau waren, also gingen wir einfach durch das Viertel rund um die Kunstgalerie und weiter westlich. Irgendwann standen wir dann vor der Central Station, dem Zentralbahnhof Glasgows. In das Gebäude integriert ist das Grand Central Hotel und da wir uns gern Hotellobbys ansehen, gingen wir hinein und fanden dort die Champagne Central Bar des Hotels, die im ersten Stock liegt und einen schönen Blick in die riesige und schöne Halle der Central Station bietet. Die Bar hat auch einen wunderschönen, altmodischen Charme mit holzvertäfelten Wänden, dick gepolsterten Stühlen und einen beeindruckenden Bartresen mit einer guten Auswahl an Single Malts.




Blick aus dem Fenster der Bar.

 



 Blick aus dem Innenhof der Central Station auf das Hotel und die Bar.





Natürlich nahmen wir in der Bar einen Whisky und einen Kaffee und entspannten mit Blick auf das Treiben in der Bahnhofshalle.

Wir gingen dann noch in die Bahnhofshalle und bewunderten die prächtige Architektur, als sich plötzlich zwei junge Männer an ein Klavier begaben, welches dort mitten im Bahnhof steht und anfingen zu spielen und zu singen. Der Sänger hatte ganz offensichtlich mal eine Gesangsausbildung genossen oder war ein Naturtalent, jedenfalls schmetterte er da ein Lied in den Bahnhof, dass sofort mehrere Leute stehen blieben und zuhörten. Einige waren etwas verstört, denn sie hatten ihre Kinder dabei und das Lied war nun ganz und gar nicht jugendfrei. Es war wohl ein altes schottisches Seemannslied, in dem ein Sohn seine Mutter, die eine Hure war, besingt und dabei sehr ins Detail ihrer täglichen Arbeit geht und trotzdem singt, wie stolz er auf sie ist, weil sie sich irgendwie im Leben durchschlägt und ihn, ihren Sohn so gut wie möglich erzieht und weil sie trotz allem ein weitaus liebevollerer und anständiger Mensch ist als viele ihrer wohlhabenden Kunden.

Als das Lied fertig war, nahmen sie ihre Taschen und verschwanden so schnell wie sie gekommen waren.

Sie wollten kein Geld und auch kein längeres Konzert geben, sondern sie setzten/stellten sich einfach für dieses eine Lied ans Klavier und gingen dann weiter. Und das ist der Zweck dieser Klaviere, die in einigen Bahnhöfen Schottlands stehen und von irgendeiner Firma gesponsert werden. Jeder, der daran vorbeikommt, soll sich hinsetzen können und ein Lied spielen oder singen und somit für einen kurzen Moment Musik ins Leben der Passanten bringen. Schöne Idee.

Dann gingen wir wieder raus auf der Suche nach einem Restaurant. Da wir die Restaurants, die wir vorher irgendwo entdeckt hatten, nicht mehr wiederfanden, entschlossen wir uns, gleich ins "The Piper" zu gehen. Denn wir hatten tagsüber schon mal die Speisekarte draussen am Eingang gesehen und hätten da sicher etwas zum Essen gefunden. Leider gilt die Karte nur tagsüber, abends ist die Küche geschlossen und das Pub ist nur eine Bar. Abends gibt es nur Drinks und kleine Snacks. 

Also suchten wir nach einem anderen Restaurant und landeten dann im "Paesano" in der Miller Street direkt neben unserem Hotel.

Absoluter Tipp! Wer in Glasgow ist und richtig gute Pizza essen will, muss in "Paesano".

Wir mussten sogar etwa 20 Minuten auf einen Tisch warten, weil es so voll war. Eigentlich erinnert die Einrichtung eher an eine Bahnhofshalle. Man sitzt nicht an Zweier- oder Vierertischen, sondern an langen Tischen auf Bierbänken mit sechs oder 8 Personen an einem Tisch. Es wirkt alles wie eine Studentenkneipe. Viele junge Leute, gute Preise und phantastische Pizza.

Der Zufall wollte es, dass sich zwei italienische Pärchen mit an unseren Tisch setzten. Einer kam aus Bari, die anderen drei aus Neapel. Und die wissen ja wie Pizza sein muss. Und sie waren sehr zufrieden!

Wir haben also sehr gut gegessen zu moderaten Preisen und sind dann nochmal zurück ins "The Piper" auf ein paar Drams. Es war inzwischen gegen 21:30 Uhr und die Bar hatte noch bis 23:00 Uhr geöffnet.





Dort haben wir dann auch den neuen Lieblingswhisky meiner Freundin entdeckt. Blair Athol, ich glaube es war der 12jährige. Leider gibt es nicht so viele Originalabfüllungen dieser Brennerei. Mir hat er auch sehr gut gefallen.

An dem Abend war auch Live-Musik in dem Pub und wir hatten eine gute Zeit mit ein paar Whiskies und internationalen und schottischen Musik-Klassikern.

Bei der Wahl des nächsten Drinks kam ich noch mit einem der Mitarbeiter ins Plaudern, der nach seinem Dienst noch auf ein, zwei Drinks in der Bar blieb. Wir fachsimpelten über unsere Whisky-Vorlieben und empfahlen uns den ein oder anderen Whisky.

Die Karte war natürlich nicht aktuell (was bei mehreren hundert Whiskies auch schwierig ist) und so kam es durchaus vor, dass die Whiskies in der Karte nicht mit denen im Bar-Regal übereinstimmten.

Aber was die Barbesitzer dazu bewegte, den Tullibardine Sovereign, also den Standard-Ex-Bourbon-Whisky zu einem der teuersten Whiskies in der Karte zu machen, konnten sich alle Anwesenden nicht erklären.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: ich mag die Tullibardine-Whiskies und auch die Standard-Abfüllung Sovereign, aber ein Preis von 8 Pfund für ein Glas kann nur eine Verwechslung sein.

Keine Ahnung, ob die Barkeeper am nächsten Tag ihre Whisky-Karte einem Update unterzogen haben, aber hingewiesen habe ich sie jedenfalls drauf. Anderderseits: wenn Leute den Preis bezahlen, dann ist er gerechtfertigt.

Egal, 80% der Karte war auch im Regal vorhanden und es waren allesamt gute Whiskies.

Wir blieben, bis wir die letzten Gäste waren und schwankten dann die paar Meter zum Hotel.

Am nächsten Morgen genehmigten wir uns ein kurzes Frühstück im Hotel und hatten dann noch drei bis vier Stunden Zeit, bis wir den Bus zum Flughafen nehmen mussten. Wir liefen so durch die Straßen rund um den George Square, als uns ein älterer Herr ansprach, wonach wir denn suchten. Eigentlich wollten wir nur noch ein wenig durch die Stadt laufen, aber meine Freundin sagte, wir suchen noch nach einem schönem Restaurant. Und dann erhielten wir den besten Tipp, den wir zur Überbrückung der Zeit bis zur Fahrt zum Flughafen bekommen konnten: das "Counting House" mitten im Zentrum von Gasgow. Es war auch praktischerweise gleich um die Ecke.

Wären wir zufällig daran vorbei gelaufen, wir hätten es für einen exklusiven Club gehalten, in dem nur Mitglieder Zutritt haben.

Tatsächlich war es ein öffentliches Restaurant in einem ehemaligen Dienstgebäude der Bank of Scotland mit absolut "volkstümlichen" Preisen und phantastischem Ambiente. Das Haus hatte einen großen Saal und zwischen 5 und 10 Nebenzimmer. In der Mitte, unter einer riesigen Lichtkuppel war eine große Bar und im großen Saal und in den Nebenzimmern waren Tische und Stühle zum Essen und Trinken.




Überall an den Wänden hingen Portraits und Zitate großer schottischer Banker und Ökonomen und natürlich durfte dort auch der große Adam Smith nicht fehlen.





Zitat: "Es gibt keine andere Kunst, die eine Regierung schneller lernt als diese, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen."

(Adam Smith, Wealth of Nations, 1776)

Wie wahr.

Das "Counting House" hielt sich bei Herausziehen des Geldes übrigens vornehm zurück. Kaffee 1,50 mit kostenlosem Refill den ganzen Tag. Zwei Steaks, Getränk und ein doppelter Whisky für etwa 20 Pfund - da kann man nicht meckern.

Überall im Restaurant sind auch noch Schautafeln angebracht, auf denen die Entwicklung des Geld- und Banksystems in Schottland erklärt wird und die Versuche der schottischen Banken, sich bis heute eine gewisse Unabhängigkeit von der Bank of England zu erhalten. Wer also ein wenig geschichtlich interessiert ist, kann wirklich bei gutem Esssen und Trinken eine schöne und interessante Zeit im "Counting House" verbringen.

Gegen Mittag fuhren wir dann mit dem Bus zum Flughafen. Es gibt in der Innenstadt mehrere Haltestellen, an denen man in den Bus zum Airport einsteigen kann. Die Fahrt dauert eine knappe halbe Stunde und man sieht noch ein wenig von der Stadt.

Am Flughafen konnte ich dann trotz hoher britischer Alkoholsteuer dann doch tatsächlich noch ein Schnäppchen im Duty Free Shop machen. Der Scapa Skiren war dort im Angebot und tatsächlich günstiger als in den einschlägigen deutschen Online-Shops. Unter 40 Euro, da kann man nicht meckern.

Also zum Schluss noch mal ein kleines Highlight, bevor es dann über London zurück nach Berlin ging.

Dass wir nächstes Jahr wieder nach Schottland reisen, steht jedenfalls fest.

Slainté.