Mittwoch, 4. September 2019

Relotius lebt...

Relotius lebt... oder jedenfalls sein Vermächtnis. Vielleicht schreibt er jetzt auch unter Pseudonymen bei verschiedenen deutschen Tageszeitungen.




Denn neben den üblichen Klagen der zahlreichen Journalistendarsteller im Land über das starke Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg und die Vermutungen über die Gründe dafür (alles Nazis, alle zu doof, alle abgehängt und enttäuscht usw...) gab es in der Lückenpresse, hier im Berliner Tagesspiegel, auch diese schöne Geschichte, bei der der Autor wohl mal nicht einfach nur meckern, sondern auch mal positiv aufzeigen wollte, wie man die AfD klein hält.

So hält man die AfD klein

Da gibt es nämlich den rührigen und wahrscheinlich wirklich sehr engagierten Bürgermeister des sächsischen Städtchens Augustusburg Dirk Neubauer. Er ist in der SPD und wahrscheinlich tatsächlich ein guter Bürgermeister. Und während die AfD bei der Landtagswahl in Augustusburg mehr als 30% der Stimmen bekam, hat sie es nicht in den dortigen Stadtrat geschafft. Also vorher, bei den Kommunalwahlen in Sachsen im Mai 2019. Oder war es April? Egal, tut nichts zur Sache. Es war jedenfalls früher im Jahr.

Und dass die AfD im Stadtrat von Augustusburg keine Chance hat, liegt, so jedenfalls sagt es der Artikel, am engagierten Bürgermeister.

"Mit derselben Methode – anderen zuhören, nachfragen, sie ein bisschen antreiben und sich selbst noch ein bisschen mehr kümmern – hat er dazu beigetragen, dass die Sehnsucht nach einer starken AfD in Augustusburg vergleichsweise gering ist. "


Im ganzen Text findet sich dann eigentlich kein wirkliches Argument dafür, dass der nette Bürgermeister es geschafft hat, die AfD in Augustusburg klein zu halten. Okay, er ist mal nach Dresden zu Pegida gefahren und hat festgestellt, dass dort nicht nur Nazis rumlaufen, aber sonst? Er kümmert sich eben um seine Stadt, wie es ein Bürgermeister tun sollte.

Okay, und so hält man also die AfD klein? Mit Kümmern? Mit engagierter Lokalpolitik? Was für eine schöne Geschichte aus der sächsischen Provinz, wo doch ansonsten die Machtübernahme der braunen Horden kurz bevor steht.

Die Geschichte hat nur einen kleinen Haken. Kein Kreuz, sondern nur einen Haken. Denn so engagiert und rührig der Bürgermeister auch sein mag, was ich auch wirklich nicht anzweifeln will, mit dem Nichteinzug der AfD in den Stadtrad hat das eher wenig zu tun.

Denn es liegt der Verdacht nahe, dass die AfD nur deshalb nicht im Augustusburger Stadtrat sitzt, weil sie bei der letzten Kommunalwahl in Sachsen schlicht keinen Bewerber aufgestellt hat. Es gab niemanden von der AfD, der sich um ein Stadtratsmandat in Augustusburg beworben hat. So wie es in einigen anderen Landkreisen und kreisfreien Städten ebenso der Fall war. Die AfD hat schlicht in einigen Gebieten ein Personalproblem.

Woher ich das weiß?

Nun, mit ein wenig Recherche (es hat mich vielleicht 5 Minuten gekostet und ist scheinbar für einen Tagesspiegel-Redakteur eine nicht zu bewältigende Aufgabe) kommt man zur Webseite des Landeswahlleiters Sachsen. Und dort findet man dann auch schnell eine Liste der Bewerber zur Gemeinderatswahl 2019 (wie es offiziell heißt).

Landeswahlleiter Sachsen





Der Link führt zu einer Excel-Tabelle, die man sich auf den Computer runterladen kann. Die Excel-Datei enthält eine Liste mit allen Bewerbern zur Gemeinderatswahl, schön sortiert nach Wahlkreisen. Und dort findet man dann auch Augustusburg und siehe da: es gab keinen Bewerber der AfD.




Und so war es auch in einigen anderen Wahlkreisen. Nach der Logik des Relotius-Fans vom Tagesspiegel müssten in allen Wahlkreisen, in denen die AfD im Stadtrat sitzt, bisher absolute Versager als Bürgermeister tätig gewesen sein. Und in allen Wahlkreisen, wo die AfD nicht vertreten ist, verrichten engagierte Lokalpolitiker ihr segensreiches Werk und die AfD kann nur staunend zugucken und muss draußen bleiben.

Schöne Geschichte, oder?

Tatsächlich hat der Autor ungewollt Recht, aber eben nicht so, wie er es denkt. Die Politik könnte die AfD tatsächlich "klein halten", denn sie hat sie auch groß gemacht. Doch eben nicht auf Lokalebene. AfD-Wähler stören sich eben nicht in erster Linie daran, dass der lokale Supermarkt zumacht und schieben es dann den bösen Ausländern in die Schuhe. Und der AfD-Wähler stört sich eben auch nicht an Problemen bei Umgehungsstraßen oder fehlenden Grünanlagen im Stadtkern oder was auch immer Lokalpolitik ausmacht. 

AfD-Wähler stören sich vor allem an Fehlentwicklungen auf Bundesebene, die das ganze Land betreffen und bei denen alle Bürger in Geiselhaft genommen werden, sei es bei der Euro-Rettungspolitik, der Erweiterung des EU-Bürokratiemonsters, den Zwangsabgaben für staatlich kontrolliertes Fernsehen oder eben bei der Einwanderungspolitik. Und sie stören sich an fortwährendem Gesetzesbruch durch die obersten Amtsträger dieses Staates.

Und sie stören sich genauso an solcher Art von Beiträgen in den Medien, egal ob nun öffentlich-rechtlich oder privat, die ein völlig falsches Bild von der Situation im Land wiedergeben und an der Realität im Land vorbeiberichten. Und dabei meist einen Großteil der Bevölkerung des Landes beleidigen und beschimpfen.

Oder eben wie hier, die Hälfte der Wahrheit einfach weglassen.





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