Sonntag, 5. Januar 2020

Nein! Nein! Nein! Einfach NEIN!

Es gibt einen Film. 

"Paradies: Liebe" heißt er. 





Er ist von 2012. Es ist eine österreichische Produktion in 3 Teilen und handelt von älteren, österreichischen Frauen, die zum "Liebesurlaub" nach Kenia fliegen.

So weit so gut. 

Man kennt dieses etwas unappetitliche Thema schon lange von den weißen, westlichen Männern in Thailand, aber auch die Damen des Westens wissen, wo sie spezielle Dienstleistungen bekommen. Jamaika, Dom. Rep. oder eben Kenia.

Es gibt hier einen kurzen Ausschnitt, der es aber in sich hat. Er ist wohl aus dem ZDF-Kulturmagazin "kontraste", in dem über den Film berichtet wurde.

Paradies: Liebe

Natürlich ist das ganze Thema, wie schon gesagt, etwas unappetitlich. Aber hey, die menschlichen Bedürfnisse verschwinden auch nicht mit dem Alter und wo ein Bedürfnis ist, gibt es ein Angebot.

Es gibt nun verschiedene Arten, sich diesem Thema zu nähern.

Eine, wie man es nicht sollte, ist dieser Film. 

Die Damen werden von österreichischen Schauspielerinnen gespielt, die Herren sind "Originale" aus Kenia und spielen sich quasi selbst. 

Man hat also tatsächlich weiße, österreichische Schauspielerinnen gefunden, die sich dafür hergegeben haben, dieses doch eher traurige Kapitel des Lebens auf der Erde "nachzuspielen". Und machen wir uns nichts vor: das ist nicht nur traurig für die Damen, es ist auch traurig für die Männer.

Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt (der sicher besser ist als wenn sie irgendwo in einem "normalen" Job arbeiten würden) mit dem Bespaßen von "abgelegten" und nicht mehr "taufrischen und knackigen" älteren westlichen Frauen. Afrikanische Männer in der Blüte ihres Lebens müssen für Geld ins Bett mit "weißen, fülligen, Mitt-50er-innen" (O-Ton).

Kein junger, gut gebauter afrikanischer Mann begehrt weiße, dicke Frauen. Und den Frauen Gefühle vorzugaukeln, obwohl man eigentlich nur das Geld will, ist auch nicht immer angenehm. Dieses Schicksal teilen die männlichen Liebesdiener mit ihren weiblichen "Kolleginnen", auch wenn deren Schicksal sicherlich noch härter ist, ganz einfach wegen der immer vorhandenen körperlichen Ungleichheit.

Okay, laut Wikipedia kommt die Schauspielerin am Ende des dritten Films zur Erkenntnis, dass man am Strand von Kenia nur sexuelle Dienstleistungen kaufen kann, aber keine Liebe und Zuneigung.

Ach was! Für diese Erkenntnis braucht man einen Dreiteiler, mit eigens engagierten Schauspielerinnen, also einen Spielfilm, bei dem auch noch ein Teil des Ensembles seine Rolle nicht nur temporär spielt, sondern nach Abschluss der Dreharbeiten dort allein und arm zurückbleibt?

Und wie "realistisch" wird das Ganze am Ende sein, wenn die männlichen Darsteller wissen, dass permanent eine Kamera dabei ist und wenn die weiblichen Darsteller wissen, dass sie nur eine Rolle spielen? Niemals, wirklich niemals werden sie nachvollziehen können, was in den tatsächlich betroffenen "gestrandeten Seelen" (eine schöne Bezeichnung aus dem Wikipedia-Artikel) vorgeht.

Wäre nicht ein Dokumentarfilm, der mit respektvollem Abstand tatsächliche "Betroffene" besucht und zu Wort kommen lässt, angemessener und ausreichender?

Was bewegt eine weiße, ältere, westliche Schauspielerin, so eine Rolle zu spielen? Sich in so eine Gefühlswelt und Rolle einzuarbeiten, wie es Schauspieler nun mal tun.

Und was bewegt einen weißen, westlichen Regisseur, über so etwas eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm zu drehen?

Natürlich werden diese "Künstler" wortreiche und schlau und plausibel klingende Begründungen finden. Irgendwas mit "authentisch" und "spannend" und "Probleme aufzeigen" und "verstehen wollen" und so weiter blablabla... Bullshit! Alles Bullshit!

Für mich ist das übles Voyers-TV, bei dem ein paar gelangweilte, pseudo-intellektuelle Westmenschen ihren heimlichen Spanner-Gelüsten nachgehen.

Mal im Ernst: welcher weiße Mann mittleren Alters interessiert sich wirklich dafür, warum weiße, ältere Frauen zum Sexurlaub nach Afrika fahren?

Und wie krank tatsächlich die Hirne der "Künstler" sind, zeigt der Regisseur, als er ernsthaft meint: "Das sagt ja auch sehr viel über unsere Gesellschaft, warum Frauen ab einem gewissen Alter und einem Aussehen, das nicht mehr so attraktiv ist, diesen Weg machen oder diese Wege suchen."

Meine Fresse! Wenn ich dieses pseudo-tiefgründige Geschwafel von "das sagt etwas über unsere Gesellschaft aus" immer höre.

Was sagt denn das über "unsere Gesellschaft" aus? Wie soll denn unsere Gesellschaft sein, damit das Bild nicht zu schlecht ist? 

Ist "die Gesellschaft" dafür verantwortlich oder hat dafür Sorge zu tragen, dass sich ältere Frauen wieder begehrenswert fühlen? Oder geliebt?

Wer ist in diesem Fall eigentlich "unsere Gesellschaft"? Alle Männer? Männer über 50 oder 60? Oder gar nur Männer bis 30? Oder Politiker?

Diese Reisen nach Afrika haben ja im Wesentlichen zwei Gründe:

Lust auf Sex und Suche nach Liebe. Oder noch beides zusammen.

Wenn es also angeblich "etwas über unsere Gesellschaft sagt", dass ältere Frauen für Sex nach Afrika fahren müssen, muss dann "unsere Gesellschaft" dafür sorgen, dass ältere Frauen auch hier Sex haben können? Vielleicht mit jungen schwarzen Männern?

Lust auf Sex ist eine absolut individuelle Angelegenheit. Ist "die Gesellschaft" also für die Befriedigung dieses Bedürfnisses verantwortlich? Ist eine Gesellschaft schlecht, wenn das Sexualbedürfnis von älteren Frauen nicht befriedigt wird?

Sollen Männer in unserer Gesellschaft also so tun, als ob ältere, dicke Frauen sexuell begehrenswert wären, nur damit die sich gut fühlen?

Noch absurder wird dieser Gedanke beim Bedürfnis "geliebt zu werden". Sexuelle Bedürfnisse sind ja noch recht einfach zu befriedigen. Das Verlangen, "geliebt zu werden" ist da schon schwieriger zu stillen. Jemanden zu finden, der einen liebt, ist ja schon für junge Menschen schwierig.

Ich würde, wenn überhaupt, die Frage stellen, was es über unsere Gesellschaft aussagt, wenn sie Menschen "produziert", die ernsthaft glauben, an einem Strand in Kenia die Liebe zu finden und die so naiv sind, nicht zu wissen, dass die "Beachboys" nur das Geld lieben, dass die weißen, alten Frauen mitbringen.

Man braucht wohl nicht weiter darüber nachzudenken, damit einem klar wird, wie hohl diese Phrase "was sagt das über unsere Gesellschaft aus" ist.

Oder man braucht sich diesen Gedanken nur mal in etwas veränderter Form vorstellen: was sagt es eigentlich über unsere Gesellschaft aus, wenn alte, weiße Männer nach Thailand fliegen müssen, um dort von jungen Mädchen das Gefühl von Liebe und Zuneigung zu bekommen?

Wer so einen Satz ernsthaft sagen würde, würde zurecht als bekloppt bezeichnet werden. Undenkbar, so ein Satz von einem westlichen "Künstler". Aber in diesem Fall der weißen, alten Frauen ist das möglich. Was sagt das eigentlich über unsere Gesellschaft aus?

Und am Ende dann haben die westlichen Protagonisten dieser Filmproduktion zuhause Preise abgesahnt. Die Beachboys in Kenia nicht. Na gut, die wurden sicher ordentlich bezahlt. Vor Ort. Mit viel Liebe. Und mit Geld. Vielleicht auch nur mit Liebe, man weiß es nicht. Gutmenschen sind ja sehr freigiebig mit Liebe. So freigiebig, dass diese "Liebe" am Ende gar nichts wert ist.

Und so spielen die Beachboys in Kenia immer noch frustrierten westlichen Frauen Gefühle vor, während sich österreichische Schauspielerinnen intensiv auf ihre nächste Rolle vorbereiten und abends stolz auf ihre Auszeichnungen für frühere Filme blicken.







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