Samstag, 25. Juni 2016

Booom! Brexit!

Was für ein Tag!

Gestern abend noch ins Bett gegangen mit einem Gefühl der Unzufriedenheit, heute morgen aufgewacht mit einer Überraschung. Und was für einer! Gestern abend noch 52:48 für die "Remain"-Fraktion, heute morgen dann war alles genau umgekehrt - 52:48 für den Brexit.



Gestern abend noch die selbstgefälligen und siegessicheren Gesichtsausdrücke der öffentlich-rechtlichen Korrespondenten in London, der Experten und Meinungsforscher, die gegen 23 Uhr schon glaubten, ihre Weltsicht hätte sich wieder mal bestätigt.

In diesem Zusammenhang stellte sich mir beispielsweise die Frage, was mir die ARD-Korrespondentin in London - mit dem für eine ernsthafte Journalistin völlig ungeeigneten Namen - Hanni Hüsch so unsympathisch machte. Es war eben dieser leicht blasierte, leicht arrogante Auftritt, diese seltsame Selbstsicherheit, die nun wirklich nicht aus ihrer äußeren Erscheinung herrühren konnte. Wer die Dame mal gesehen hat, wird mich verstehen. Nein, es war für mich diese für öffentlich-rechtliche Reporter so typische Sattheit, dieses Bewusstsein, egal, wie die Sache hier in London oder irgendeine andere Sache ausgeht: ich habe meinen sicheren und bestens dotierten Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und auf der richtigen Seite stehe ich sowieso.

Und so kam es dann eben, wie es kommen musste: so ziemlich alles, was an diesem Abend bis zu einer bestimmten Uhrzeit gesagt wurde, war - auf Deutsch - für den Arsch!

Schade, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon schlafen gegangen bin, ich hätte zu gern die entsetzen Gesichter und entgleisten Gesichtszüge gesehen in jenem Moment, in dem klar wurde, dass die EU eben doch nicht so weitermurksen kann wie bisher und dass die Briten sich eine eigene Meinung gegönnt hatten.

Ich gebe eines zu: diese Entscheidung ist denkbar knapp. Von 100 Menschen waren 52 dafür, 48 dagegen. Bei 10 Menschen könnte man diese Aufteilung schon nicht mehr vornehmen. 52% sind keine überwältigende Mehrheit und nun muss eben fast die Hälfte eines Volkes das hinnehmen, was ein wenig mehr als die andere Hälfte entschieden hat. Aber so sind nun mal die Spielregeln. Wäre es andersrum ausgegangen, wäre es eine ebenfalls nur sehr kleine Mehrheit gewesen, die der fast genauso großen Minderheit ihren Willen aufgezwungen hätte. Ich würde mir für solche Entscheidungen, die letztlich das Leben aller beeinflussen, auch wünschen, dass größere Mehrheiten erzielt werden müssten, aber wahrscheinlich würden dann solche Veränderungen wie der Brexit nicht mehr möglich sein. Es gibt eben kaum noch diesen großen Kompromiss, der eine Mehrheit aus allen Generationen und sozialen Schichten eint, diese gemeinsame Vorstellung, wie das Zusammenleben organisiert werden soll. Die westlichen Gesellschaften sind heute gespaltener als je zuvor. Deutschland macht da mit seiner inoffiziellen Großen Koalition aus CDU/SPD/GRÜNE/LINKE eine Ausnahme. Allerdings wächst auch hier der Anteil derer, die mit dieser Nationalen Front nichts mehr anfangen können.

Aber zurück zum Brexit.

Heute setzte dann das große Jammern ein. Fast ausschließliches Thema in den Nachrichten und vor allem in den Reportagen dazwischen war der Frust der Verlierer. Dass sich eine Mehrheit über ihren Sieg gefreut hat, war nur einen kurzen Einspieler in den Nachrichten wert. Lästige journalistische Pflichterfüllung sozusagen. Einige Kommentatoren wollen heute sogar schon eine Menge Brexit-Befürworter ausgemacht haben, die ihre Entscheidung von gestern schon wieder bereut haben. Na klar.

Hanni Hüsch versuchte gekonnt, ihr Entsetzten zu überspielen. Sie ersetzte es durch erneute spöttische Arroganz. Nach dem Motto: na die Trottel, die für den Brexit gewählt haben, werden schon sehen, was sie davon haben.

Zwischendurch sah man einen britischen Wissenschaftler, der in Deutschland lebt und arbeitet und der Großbritannien eine Zukunft in Elend und Armut vorhersagte. Düstere, dunkle Zeiten würden auf uns zukommen. Die deutsch-englische Freundschaft, die angeblich seit mehr als 70 Jahren besteht, wurde letzte Nacht aus dem Fenster geworfen. Geht's noch? Genau das war wohl am Ende das Problem der "Remain"-Befürworter. Sie drohten mit völlig absurden Behauptungen und Zukunftsaussichten. Wie sollen jetzt britische Wissenschaftler und Studenten in Europa studieren und arbeiten können?

Na genauso wie amerikanische, indische, japanische oder afrikanische Studenten. Die sind alle nicht aus der EU. Und es geht trotzdem.

Oder das angebliche Problem mit der Visafreiheit. Ob diese Leute schon mal in Thailand waren? Also nur so als Beispiel. Thailand gehört, soweit ich weiß, nicht zur EU. Muss man da also nun für viel Geld ein Visum beantragen, wochenlang drauf warten und hoffen, dass einem die Eineise gewährt wird? Nein! Man bucht sich einfach einen Flug und fliegt dorthin. Das Visum gibt es kostenlos als Stempel in den Reisepass. 

Und wer sich über die Schlangen an den Einreiseschaltern aufregt, der soll doch einfach mal von London-Gatwick nach Berlin Schönefeld fliegen. In Berlin muss ich mich als Deutscher in einer Schlange anstellen, einem deutschen Grenzbeamten meinen deutschen Reisepass vorlegen und der überlegt dann, ob ich in mein Land rein darf oder nicht. Das dauert auch so seine 20 bis 30 Minuten. Und da will mir jemand was von Wartezeiten für Briten erzählen?

Und am Ende war der Wissenschaftler überzeugt, dass es nun Leute wie er seien, die die Freundschaften im privaten Bereich aufrecht erhalten müssten, damit Großbritannien nicht vollends verloren wäre.

Au Backe, das war wieder die typische Überheblichkeit von studierten Leuten, die meinen, nur weil sie einen Abschluss haben, wüssten sie viel besser, wie das Leben funktioniert und nur sie wären in der Lage, für ein friedliches Zusammenleben der Völker zu sorgen.

Im übrigen können jetzt die ganzen infantilen Briten-"Liebhaber" der letzten Wochen mal zeigen, wie weit ihre Liebe zu den Briten wirklich geht. Da gab es ja die seltsamsten und peinlichsten Aktionen wie "Hug a brit", bei der in England lebende Ausländer wildfremde Briten auf der Straße umarmen sollten, um ihnen zu zeigen, wie sehr die Briten ihnen am Herzen liegen. 

Oder es gab eine "Kiss-Chain", also eine Kette sich küssender Menschen, die durch ganz Europa von Rom über Berlin nach Paris und London gehen sollte, um zu zeigen, wie sehr man die Briten liebt. Nun, wenn jetzt die Wirtschaft in Großbritannien tatsächlich schwächeln sollte, wie manche es befürchten, dann haben diese großen Kinder genug Möglichkeiten, ihre Freundschaft zu den Briten zu beweisen.

Die EU-Offiziellen können bei den anstehenden Austrittsverhandlungen übrigens auch zeigen, ob ihnen Freizügigkeit im Waren- und Kapitalverkehr als Wert an sich wichtig ist, oder ob sie das nur gut finden, solange alle Länder in ihrem Verein, namens EU, nach ihren Regeln mitspielen. Bisher verhalten sie sich eher wie kleine trotzige Kinder, denen man im Sandkasten die Schippe weggenommen hat.

Die Börsen spielten auch verrückt und brachen weltweit im zweistelligen Prozentbereich ein. Selbst in Griechenland, also dort, wo sich wohl kaum ein Unternehmen findet, das noch irgendwas Wichtiges nach England exportiert. Von Olivenölproduzenten vielleicht mal abgesehen. Aber Olivenöl geht immer.

Vielleicht hatten die Griechen auch nur Angst, dass mit Großbritannien ein Netto-Zahler der EU ausfällt und damit weniger Geld für künftige Rettungspakete zur Verfügung steht. Da kann man auch schon mal nervös werden. Vielleicht sollten die Griechen aber lieber kühlen Kopf bewahren und angesichts des Ergebnisses aus England mal drüber nachdenken, ebenfalls eine solche Wahl durchzuführen. Ich meine, so, wie die EU ihr südlichstes Mitglied und dessen Bürger behandelt, hätte ich als Grieche keinen Bock mehr auf diesen Verein. Und dann würde Griechenland eventuell wieder zur Ruhe kommen und zu einem souveränen und ehrenvollen Staat in Europa werden. Wenn sie einen guten Plan haben, kriegen sie schon Geld von Investoren. Haben sie keinen, hilft auch das Fiat-Geld aus Europa nicht. Das erhöht nur die Abhängigkeit!

Die Börsen haben sich heute im Laufe des Tages übrigens wieder erholt, geradeso, als hätte sich die Situation zwischen 9 Uhr und 15 Uhr nochmal dramatisch geändert. An den Kursbewegungen heute sieht man übrigens auch die Absurdität des Börsenhandels.

Auch die Währungskurse waren natürlich betroffen. Das britische Pfund verlor erheblich an Wert. Der Kurs zum Euro lag heute früh bei 0,80 Cent.

Vor etwa 2 Wochen war der Euro übrigens schon mal so um die 0,79 Cent wert. Hat das irgendwer bemerkt? Ging da die Welt unter? Nein! Genauso wenig wie Anfang April, als wir ebenfalls Kurse um die 0,80 gesehen haben. Hat es irgendwer bemerkt? Ging da die Welt unter. Nein!

Klar wird es Anpassungsbedarf geben. Aber den hatten die Schweizer vor ein paar Monaten auch, als sie die Bindung ihres Franken an den Euro aufgegeben haben. Der Franken hat aufgewertet, aber die Schweiz existiert immer noch.

Wenn Unternehmen aus verschiedenen Ländern miteinander Handel treiben, dann liegt das nicht daran, dass es eine EU gibt. Es liegt daran, dass die jeweils für den gegenseitigen Bedarf besten Produkte gehandelt werden. Oder es liegt daran, dass ein guter Service dazu geboten wird und manchmal liegt es auch einfach nur daran, dass man sich seit Jahren gut kennt und vertraut. All das wird durch den Brexit nicht verschwinden!

Erstaunlich war wieder einmal, wie weit die Meinungsforscher neben der Realität lagen. Oder muss man jetzt eher von Meinungsmachern reden? Als Auftraggeber würde ich für das nächste Jahr erst mal keine Aufträge mehr an sogenannte Meinungsforschungsinstitute vergeben. Die sollten erst mal ihre Parameter und Auswertungsmethoden überprüfen.

Aber wenn sogar schon auf die britischen Buchmacher kein Verlass mehr ist, dann war es höchste Zeit, dass die Briten aus der EU austreten. :-)

Es gibt einen sehr tragischen Aspekt in dieser Angelegenheit: der Tod der britischen Politikerin Joe Cox.

Wenn die offizielle Version über ihren Tod stimmt, dann zeigt es, wie sich in der heutigen Medienwelt die Diskussion um den völlig legitimen Wunsch von Menschen nach mehr Souveränität aufschaukeln kann. Und wenn die offizielle Version nicht stimmt, sondern wir es mit einem "Bauernopfer" zu tun haben, welches noch für einen Stimmungsumschwung kurz vor Schluss sorgen sollte, dann zeigt das, wozu die europäischen Zentralisten fähig sind. Und all das unter dem Deckmantel von "Frieden und Demokratie". Angesichts des geistigen Zustands und der Vita des Mörders fällt es mir schwer, die offizielle Version zu glauben.

Nachem sich nun so ziemlich alle Experten aus dem Politbetrieb zum Brexit geäußert haben und es bisher nur wenig Stimmen von Promis gab, hab ich einen Wunsch für die nächste Zeit: bitte befragt keine Sportler oder Künstler zu ihrer Meinung! Diese Damen und Herren mögen großartige Sportler und Künstler sein, allerdings hat ihr Leben mit dem Leben normaler Menschen so gut wie nichts zu tun. Prominente Sportler und Künstler können überall auf der Welt leben, denen kann es egal sein, wer gerade wo regiert. Den normalen Menschen kann es nicht egal sein. Sie haben nur wenig "Fluchtmöglichkeiten".

Eine davon war dieses Referendum zum Brexit. Und es macht Mut und Hoffnung, dass Wahlen offenbar doch noch etwas ausrichten können. Auch gegen eine überwältigende "Armee" aus Politik, Medien und Wirtschaft. Allein deshalb ist der Brexit ein Grund zum Feiern!

Cheers!

2 Kommentare:

  1. Klasse! Werde den Blog in meine Favoriten einbinden
    http://n0by.blogspot.de/2016/06/innere-wie-auere-kampfe-bedrohen-pegida.html

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