Samstag, 5. Juni 2021

Im Westen nix Neues...




Es gibt eine schöne Webseite, auf der alte Radiosendungen als Mitschnitt verfügbar sind. Da höre ich zur Zeit alte Folgen von Musiksendungen aus den 80ern...

http://www.rias1.de/graves.htm

In der Sendung vom 10.08.1985 war auch eine Nachrichtensendung im Mitschnitt enthalten. Gesprochen von Helmuth Gerlingen (ich erinnere mich genau an damals...)

Alte Nachrichtensendungen sind interessant. Zum einen merkt man den Unterschied zu heute und man sieht, weshalb Nachrichten früher mal seriös und weitgehend verlässlich waren. Im Nachrichtentext selbst gibt es keine Bewertungen der Personen/Organisationen, über die berichtet wird und die Tonlage des Sprechers ist so zurückhaltend und sachlich/neutral wie nur irgend möglich. Man möchte beinahe sagen: langweilig.

Ich weiß nicht, wie Helmut Gerlingen aussah, aber ich hab ein Bild vor Augen, wie er da im Studio vor dem Mikro sitzt und die Nachrichten verliest: graues Hemd, kariertes Sakko mit Ärmelschonern und Busfahrerhose. Dazu eine Brille mit dickem Gestell.

Und all das ist extrem positiv gemeint! Genau so müssen Nachrichten gesendet werden! Volle Konzentration auf die Nachricht, keine Ablenkung durch irgendwelche "buzzwords" oder bestimmte Betonungen durch die Sprecher, durch die man schon bemerkt, daß hier eine Wertung transportiert wird.





Ja, es gab tatsächlich mal Zeiten, da waren Nachrichten noch informativ und verlässlich und seriös.

Aber auch aus einem anderen Grund sind alte Nachrichten interessant: die Themen von früher!

In der hier erwähnten Nachrichtensendung waren das:

1. Parteispendenaffäre der SPD und ihrer gewerkschaftsnahen Unternehmen/Stiftungen

2. Konferenz der Arabischen Liga zur Lage in Nahost

3. Kämpfe in Nahost (in diesem Fall in Libanon) zwischen Christen und Muslimen

4. Spionagefall im Wirtschaftsministerium

5. Das Wetter


Interessante Themen, oder?

Könnte auch eine Nachrichtensendung aus dem Jahr 2021 sein. Die Parteien/Politiker haben noch immer ihre Spenden- und Abrechnungsprobleme, im Nahen Osten wird immer noch gekämpft und auch Spionage in der Politik taucht immer wieder mal auf.

Interessant ist auch, wenn man mal auf die Details hört und dann den historischen Bogen schlägt. 

Bei der damaligen Konferenz der Arabischen Liga gab es folgende Ergebnisse:

Ein Teil der Teilnehmer bewertete die Konferenz als großen Erfolg und wichtigen Schritt für die Zukunft.

Ein anderer Teil der Teilnehmer kritisierte es als völlig ergebnislos und bemängelte unter anderem, daß in der Abschlusserklärung die Lage im Libanon überhaupt nicht (!!!) erwähnt wurde.

Und dann hört man noch, daß ein Teil der arabischen Staaten diese Konferenz komplett boykottiert, also gar nicht teilgenommen hat.

Und ich bin sicher, die Politiker, die damals an der Konferenz teilgenommen haben, waren überzeugt von ihrer eigenen Kompetenz und Macht und ihrer Fähigkeit, die Dinge zum Besseren zu verändern. Sie waren überzeugt, daß nun endlich diese eine Konferenz den Weg zum Frieden bringt.

Jetzt sind wir mehr als 35 Jahre weiter in der Zukunft und es gab sicher in der Zwischenzeit noch viele andere Konferenzen und Gipfeltreffen und jedes Mal gab es blumige Abschlusserklärungen und Bewertungen, wie wichtig dieses Treffen jeweils war und die Realität ist, daß die Situation im Nahen Osten nach wie vor angespannt ist. Das zwischenzeitliche Auftauchen von Verbrechern und Bestien wie ISIS ist da noch gar nicht inbegriffen.

Jemand müsste sich mal die (wenig erbauliche) Arbeit machen und die Ergebnisse all dieser Konferenzen (muss ja nicht nur zum Nahen Osten sein) auswerten und anhand der Realität prüfen, wie sinnvoll die waren.

Ohne dafür jetzt auch einen Anhaltspunkt zu haben, werfe ich mal in den Raum, daß 90% der Tätigkeit von Politikern auf diesen Konferenzen und Gipfeltreffen völlig überflüssig sind. Jedenfalls für die, um die es auf diesen Konferenzen immer ging, um deren Wohl sich die Politiker angeblich Sorgen gemacht haben und deren Lebenssituation sie verbessern wollten.

Politiker haben diese Anmaßung von Wissen und Macht, daß sie mit "10-Punkte-Plänen" und "Absichtserklärungen" und "Schluss-Kommuniqués" das vielfältige Leben von Millionen oder Milliarden Menschen regeln könnten. Aber sie können es nicht. Jedenfalls können sie nicht das Leben aller zum Besseren wenden. Aber sie sind eitel genug, daran zu glauben und sonnen sich im Blitzlichtgewitter und suhlen sich in ihren wichtig klingenden Phrasen und Sonntagsreden!

Und freuen sich über schöne Veranstaltungsorte in tollen Hotels und Kongresszentren mit erstklassigen Buffets oder Banketts und daß sie auf Kosten der Gemeinschaft in der Welt herumkommen.

In den allermeisten Fällen aber verändert sich das Leben der "Betroffenen" gar nicht bzw. verschlechtert sich. Verbesserungen gibt es kaum. Und die wirklich großen Wendepunkte der Geschichte passieren einfach so, ohne daß es irgendeiner der verantwortlichen Politiker hätte voraussagen können oder vorausgesagt hätte.

Und trotzdem treten alle paar Jahre neue Leute in der Politik an, mit derselben Eitelkeit und Anmaßung von Wissen und Macht und Kompetenz. Und alle paar Jahre wieder lauschen die Menschen gespannt, was diese Politiker da beschließen oder verkünden und die Journalisten bewerten das von links nach rechts und von vorn nach hinten und so wird dieses absurde Schauspiel noch ewig weitergehen.

Die Menschen lernen eben nicht aus ihrer Geschichte.





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