Samstag, 16. März 2024

E-Mobilität zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Der Newsletter "Wirtschaftswoche Weekender" hat mir heute morgen folgenden Beitrag in den Posteingang gelegt:

"Lieber Herr xxx, bevor ich Ihnen erzähle, was in unserer Straße passiert ist, schauen Sie auf diese Grafik:


Ja, die Verkaufszahlen der E-Autos brechen ein. Was ist da los?

Zunächst zu meiner Straßenlaternenerfahrung:


Vor einigen Monaten wurden bei uns in der Straße die Gaslaternen auf elektrisch umgestellt; dazu wurden die Gehwege aufgerissen und große Löcher gegraben. Es ist eine typische Altbaustraße in Berlin-Zehlendorf, mit Pflastersteinen und großen Bäumen. An einem der Tage fragte ich einen der Vorarbeiter, ob sie auch gleich Ladesäulen aufstellen – oder zumindest Kabel und Anschlüsse verlegen.

Er schaute mich an, als habe ich nach einem Hubschrauberlandeplatz gefragt.
Nein, sagte er, dazu habe er keinen Auftrag. Werden die neuen Straßenlaternen vielleicht Ladestationen haben, fragte ich. (Ich dachte an das Berliner Startup Ubitricity, das ein Patent erfunden hatte – und in London schon über Straßenlaternen umgerüstet hatte, auch historische.) Nein, natürlich nicht. Im Übrigen, sagte der Vorarbeiter, würde auf der einen Seite der Straße gar kein Strom liegen, die Gaslaternen würden nur abgebaut.

Nun ist es auf der einen Straßenseite (auf der unsere Wohnung liegt) abends dunkel und viele leuchten mit ihren Smartphones den Weg zwischen den Hundehaufen aus, wenn sie spät heimkommen. Vor allem eines ist klar: Wir werden auf dieser Seite niemals E-Autos aufladen können. Ob unsere grüne Bezirksbürgermeisterin weiß, denke ich ab und an, dass in ihrem Bezirk überall Straßen aufgerissen werden, ohne Leitungen für Stationen mitzudenken?

Ich hatte noch keine Zeit zu fragen; die Episode ist für mich ein Symptom, dass wir in unserem Land Dinge oft nicht zu Ende denken oder vom falschen Ende her denken. So werden seit Jahren E-Autos mit hohen Prämien subventioniert und in den Markt gedrückt. Aber in vielen Teilen des Landes gibt es keine Ladeinfrastruktur (auch wenn diese besser wird). Wer konnte, nahm die Prämien mit. Und das sind meist Menschen mit eigenem Haus, bei denen das E-Auto oft der Zweitwagen ist, die auch den Zuschuss für die Wallbox gerne einstreichten. Sagen wir mal so: Ich kann berichten, dass die Vorstadtflotte in Dahlem und Grunewald erfolgreich auf hybride Porsche Taycans umgestellt wurde. Läuft hier.

Nun aber zum Big Picture: Die Ampel hat die Subventionen – den Umweltbonus – zum Jahresende ziemlich abrupt gestrichen. Und seitdem brechen die Verkaufszahlen ein (siehe Grafik oben). Dies ist aber nur ein Krisensymptom auf dem Markt.

Wir beobachten ein Muster, das sich in vielen Ländern abzeichnet, sobald die Förderung endet. Laut Kraftfahrtbundesamt ist die Zahl neu zugelassener E-Autos mit reinem Batterieantrieb im Februar (von einem niedrigen Niveau) um 15 Prozent im Vergleich zum Januar gesunken. Verbrenner legten zu, Autos mit Dieselantrieb sogar um fast zehn Prozent. Der Marktanteil von E-Autos schrumpft.




„Der Anteil von E-Autos am Gesamtabsatz war in den ersten beiden Monaten des Jahres 2024 so niedrig wie zuletzt vor drei Jahren“, schreiben meine Kollegen Martin Seiwert, Annina Reimann und Thomas Stölzel in unserer aktuellen Titelgeschichte. „Trotzdem hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, in sechs Jahren mindestens 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen zu zählen.“

Hersteller wie Mercedes denken bereits um. CEO Ola Källenius sendet solche Botschaften: „Ob wir 2030, 2033 oder 2035 unseren letzten Verbrenner verkaufen, lässt sich nicht genau vorhersagen, denn das entscheiden unsere Kunden.“

„Kein Wunder, dass auch Konzernchefs sich von der ganz schnellen E-Wende abwenden“, schreiben die Kollegen. Die Hersteller blasen die Wende nicht ab, schließlich werden Hunderte Milliarden in den neuen Antrieb investiert. Ziele und Quoten aber werden gestreckt, weil die Hersteller spüren, dass auch der Ehrgeiz bei vielen Politikern nachlässt – oder ein neuer Realismus Einzug hält. Und so wollen sie – um ein schiefes Bild zu gebrauchen – die Verbrenner-Kuh noch etwas melken.

Der Verbrenner, so die Erkenntnis, wird noch ein bisschen länger gebraucht. Während die großen Autobauer auf Zeit spielen, rennt vielen jungen Marken und E-Start-ups die Zeit davon – das Geld geht aus. Der Aachener E-Autobauer Next.e.Go Mobile ist insolvent, das US-Start-up Fisker steht kurz davor.

„Für die börsennotierten E-Auto-Hersteller Faraday Future, Fisker, Lucid, Nikola und Rivian geht es ums Überleben“, schrieb mein Kollege Marlon Bonazzi schon Anfang März in unserem „Börsenwoche“-Newsletter. Es sei das „Ende vom Anfang“:



Das Bild jenseits von Europa ist uneinheitlich. Die USA hinken natürlich hinterher, die Teslas fahren vor allem in Hollywood und reichen Vororten. Auf den Highways rollen die Pickups und SUVs, der Anteil der verkauften E-Autos der Hybride lag bei den amerikanischen Autobauern GM und Ford bei nur drei bis vier Prozent.

In China war dagegen im Januar fast jedes dritte neu verkaufte Auto eines mit E-Antrieb oder Plug-in-Hybrid. Die Chinesen haben massiv in elektrische Antriebe investiert, zahlreiche neue Hersteller und Marken sind entstanden – die auch auf den europäischen Markt drängen. (Eine große Analyse dazu lesen Sie hier – ein eindrucksvolles Foto aus Bremerhaven finden Sie hier.)

Es bleibt spannend, ob die Chinesen sich als Welthersteller etablieren – oder Überkapazitäten aufbauen, wie wir sie am Immobilienmarkt besichtigen.

Um es klar zu sagen, die stockende Antriebswende ist kein Grund für Häme oder Schadenfreude, nach dem Motto: Geschieht Robert Habeck und Ricarda Lang recht. Das wäre albern. Der Verkehrssektor hing bei seinen Ausbauzielen hoffnungslos hinterher, und das ist kein gutes Zeichen.

Es ist klar, dass dem E-Auto die Zukunft gehört. Die Frage ist nur, ab wann und ob sie der Batterie allein gehört. Immer wieder zeigt sich, dass sich viele Regierungen zu früh oder einseitig auf einem Antrieb festgelegt haben. Dass Ziele zu ehrgeizig oder unrealistisch waren. Es gäbe eben keinen Wettbewerb der Technologien oder Systeme, das war nicht „VHS gegen Betamax“. Dahinter stehen ehrgeizige politische Pläne, die ein Stück weit zusammenfallen. Insofern ist der neue Realismus gesund."


Ich meine ja, die Frage ist überhaupt, ob dem E-Auto die Zukunft gehört. Eine Technologie setzt sich dann durch, wenn sie dem Verbraucher einen Vorteil verschafft und/oder günstiger ist.

Beides ist beim E-Auto auf absehbare Zeit nicht der Fall.

Und damit sind nicht Technologie-Nerds gemeint, die die Sprint-Vorteile oder weniger Vibrationen beim E-Auto toll finden. Und gemeint sind auch nicht die ideologisch getriebenen Verbraucher, die sich mit dem E-Auto ein gutes Gewissen verschaffen wollen. Nein, gemeint sind die Millionen Verbraucher, die auf das Auto als Mobilitäts-Vehikel im Alltag angewiesen sind.




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