Montag, 8. Juli 2019

Seid bereit, immer bereit

Pünktlich zu den abgeschlossenen Feierlichkeiten für die Kapitänin der Herzen stehen auch wieder sogenannte "Forscher" bereit, die die Heldentat der jungen, reichen, westlichen Frau mit "wissenschaftlichen Fakten" untermauern und erklären, dass das ja alles gar nicht so schlimm ist mit der Migration nach Europa und dass Armutsmigration nach Europa nur ein Mythos ist.

Spalier für solcher Art Forschungsergebnisse stand wieder mal der Spiegel, der die Fragen entsprechend stellte und die Antworten einfach durchwinkte. Zum Teil jedenfalls.

Lesen kann man die als Interview getarnte Verkündung von offiziellen Wahrheiten hier:

Armutsmigration ist ein Mythos





Los geht's.

Im Eingangstext, der erfreulich neutral und sachlich beginnt, geht es dann aber doch bald zur Sache. Zunächst wird festgestellt, dass die Debatte von Emotionen beherrscht wird, wo es doch Fakten und Zahlen bedürfe.

Na sowas. Als ob das etwas Schlechtes wäre. Und sind es nicht immer die Guten, die den Kritikern der unkontrollierten Massenmigration Emotionslosigkeit vorwerfen? Fehlende Empathie, Unmenschlichkeit, Herzlosigkeit, soziale Kälte, gar Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und im Gegenzug das gesamte Arsenal an entgegengesetzten, positiv besetzten Emotionen für sich in die Waagschale werfen? Mir klingen noch gut die Antworten links-grüner Moralexperten im Ohr, dass es doch bei Migration um Menschen gehe und nicht um nackte Zahlen.

Na egal, nun soll es also doch um Zahlen und Fakten gehen. Dass sich ein Großteil der derzeitigen Diskussion schon jetzt relativ nüchtern mit den juristischen Grundlagen beschäftigt, auch in den so viel gescholtenen Orten der Hetze und des Hasses, also in den sozialen Netzwerken... geschenkt.

Die wirklich wichtigen und entscheidenden Zahlen und Fakten liefert diesmal ein Forscherteam um Rainer Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

Und am Ende des Eingangstext wird auch sofort Entwarnung gegeben, dass das ja alles gar nicht so dramatisch ist, was da im Mittelmeer und später in Europa geschieht, denn, so wissen die SPIEGEL-Redakteurs-Darsteller: die meisten Migranten kommen gar nicht nach Europa.

Ach was. Wer auf der Welt hat je behauptet, dass die meisten Migranten weltweit nach Europa kommen? Wer?

Ich kenne keinen, der so einen Unsinn behauptet hat. Es wird also etwas widerlegt, was gar nicht zu widerlegen war.

Die Intention ist klar: man verbindet die globale Perspektive mit dem singulären Ereignis mit der "Sea Watch 3" und der Kapitänin der Herzen und zack... alles nur noch halb so wild. Die meisten wollen ja woanders hin als nach Europa.

Dass es den Kritikern der unkontrollierten Einwanderung nach Europa und der Unterstützung der Schlepperei im Mittelmeer um die Zuwanderung nach Europa geht und nicht darum, wo die meisten Menschen weltweit hin wollen, wird einfach unter den Tisch intellektualisiert. Und dass das eben trotzdem immer noch Millionen sind, von denen wir hier reden, die nach Europa kommen. Und von noch mehr Millionen, die noch nach Europa wollen.

Und dann wird im weiteren Verlauf des sog. Interviews fröhlich Arbeitsmigration, also wenn ein deutscher Koch in der Schweiz arbeiten will oder ein deutscher Lehrer in Schweden oder ein deutscher Arzt in Norwegen und umgekehrt, mit der Armutsmigration von Afrika nach Europa vermischt. Dazu dann

Später stellt der SPIEGEL-Redakteurs-Darsteller dann auch explizit die Frage:

"Wer die Diskussion um private Seenotrettung der vergangenen Wochen verfolgt, kann den Eindruck gewinnen, dass Europa im Zentrum der Migrationsströme liegt."

Nein! Den Eindruck kann man nicht gewinnen. Italien und Deutschland und eventuell andere europäische Staaten diskutieren über die Sea Watch 3 und die Situation im Mittelmeer. Wahrscheinlich ist das in allen anderen Regionen der Erde nur eine Randnotiz in den Nachrichten wert. Und wer soll denn sonst über die Lage im Mittelmeer diskutieren, wenn nicht wir?


In Deutschland wird auch derzeit der Stellenabbau der Deutschen Bank diskutiert, ohne dass jemand den "Eindruck gewinnt", die Deutsche Bank wäre das größte Geldhaus der Welt.

In Deutschland wird auch über Stickoxide in Autoabgasen diskutiert und nur die Grünen tun dabei so, als wäre Deutschland der Nabel der Welt. Kein normaler Mensch hält diese Diskussion für weltweit interessant.

Und dann versucht der Forscher und Migrationsexperte doch tatsächlich, uns zu erklären, dass im Prinzip der afrikanische Mittelstand zu uns emigriert:

"Diese Menschen sind überwiegend zwischen 20 und 30 Jahre alt, meist männlich, vergleichsweise gut gebildet - und nicht arm. Die Leute in den meisten armen Ländern Afrikas, die gern auswandern würden, können sich das nämlich gar nicht leisten. Man muss erst mal zum Mittelstand gehören, um das Wissen anzuhäufen, die Netzwerke zu knüpfen und das nötige Geld zu beschaffen. Die vielbeschworene Armutsmigration nach Europa ist also ein Mythos."


Klar, da war er wieder, der Schub an Ärzten, Ingenieuren und Wissenschaftlern, die uns 2015 versprochen wurden.

Allerdings erzählten uns die Guten und Empathischen damals, auf den Hinweis, dass die Flüchtlinge nicht die Ärmsten seien, weil sie ja mehrere tausend Dollar für den Transport nach Europa gezahlt hätten, dass sie doch arm waren und das meist die ganze Familie oder gar das ganze Dorf gespart und zusammengelegt haben, damit der eine Auserwählte den Weg nach Europa antreten kann. Und jetzt kommt, wie gesagt, der afrikanische Mittelstand.

Dass die Wahrheit dazwischen liegt und viel differenzierter zu betrachten ist, fällt dem Forscher, der den ganzen Tag nichts anderes tut, als zum Thema zu forschen, nicht auf. Jedenfalls gibt es seine Antwort nicht her.

Dass dort kein "Mittelstand" kommt, sehen wir jedes Mal, wenn man die Bilder der meist jungen Männer auf dem Boot sieht.

Das Berliner Institut, dass sich laut eigener Homepage als "First Mover und entscheidender Anreger" im Diskurs um demografische Entwicklungen versteht, kommt dann mit seit Jahren bekannten und wirklich nicht neuen Erkenntnissen, wie der, dass Migration bei steigenden Durchschnittseinkommen in den entsprechenden Ländern zunächst nicht abnimmt, sondern zunimmt.

Sie nennen das den "Migrationsbuckel". Das bedeutet, dass Migration ein Mindestmaß an finanziellen Mitteln voraus setzt. Darunter fehlen die Ressourcen, um sich überhaupt "in Bewegung" setzen zu können. Und ab einem bestimmten Einkommen lohnt sich Migration dann nicht mehr, weil das Risiko im fremden Land die Chancen und Möglichkeiten und den erreichten Standard im eigenen Land übersteigt.

Nun, das hat der Entwicklungs-Ökonom Michael Clemens schon 2016 erkannt:


Dem liegt die wahrscheinlich richtige Annahme zugrunde, dass viele Menschen einen Schritt aus der absoluten Armut gemacht haben, evtl. einen Beruf gelernt haben oder ein Unternehmen gegründet und dann in ihrem Land keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten für ihre erworbenen Fähigkeiten sehen. Die versuchen dann eben, ihr Potential in entwickelteren Ländern zu nutzen.

Nur davon ist die Masse derer, die derzeit illegal nach Europa kommt, weit entfernt. Die Zahlen über die gelungene Integration in den Arbeitsmarkt sprechen für sich. Es ist vielmehr eine nicht gelungene Integration. Und diese überwiegend jungen Männer, die zwar irgendwie das Geld für die Überfahrt nach Europa zusammenbekommen haben, waren für afrikanische Verhältnisse kurzzeitig vermögend, in Europa gehören sie zu den Ärmsten. Und jeden Tag sehen sie den Abstand zur angestammten Bevölkerung. Und angesichts der materiellen Verlockungen und der eigenen unzulänglichen Fähigkeiten und Kenntnisse bleibt vielen nur der Weg in die Kriminalität, um sich die Dinge zu leisten, die sie sonst vor Augen, aber niemals in Händen halten werden. Und wir hätten noch Glück, wenn es sich bei dieser Kriminalität "nur" um Schwarzarbeit handeln würde.

Diese Form der Migration hilft niemandem. Nicht den Ländern, aus denen die Migranten kommen, nicht der Mehrheit der Migranten und auch nicht den Menschen, die schon länger in den Zielländern leben und die nun wirklich auch nichts für die Zustände im Riesenkontinent Afrika und in anderen armen Gegenden der Welt können.

Noch ein paar Worte zur Kapitänin der Herzen, Frau Rackete. Sie lag 14 Tage lang mit ihrem Schiff im Mittelmeer vor Anker. Der EuGH hatte zwischenzeitlich entschieden, dass sie Lampedusa nicht anlaufen darf, Libyen soll Hilfe, Schutz und Unterkunft für die Flüchtlinge angeboten haben und es gab andere Länder in Reichweite, die sie hätte ansteuern können. Innerhalb weniger Stunden oder einem Tag. Aber nein, sie wollte nach Europa! Nichts anderes. Dafür wartete sie 14 Tage auf dem Mittelmeer mit "ihren Flüchtlingen" an Bord, bis sich die Lage an Bord zugespitzt hatte und sie einfach nach Italien einfuhr. Dieses Einfahren in einen Hafen hätte sie auch woanders machen können. Das Einfahrverbot hätte sie auch in Tunesien oder Marokko oder Ägypten missachten können, in einem Bruchteil der Zeit. Nein, sie wollte nach Europa. Nichts anderes. Und nur darum geht es den Fluchthelfern. Und da sie erfolgreich sind, wird es wieder Nachahmer geben.

Armutsmigration nach Europa ist jedenfalls kein Mythos, sondern Realität. Zugelassene Realität. Von der Politik akzeptierte Realität. Entgegen aller moralischen Sonntagsreden.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen