Dienstag, 16. März 2021

Die verschwundene Grippe

Übersetzung eines Artikels über das Ausbleiben der diesjährigen Grippesaison.

https://medium.com...

Links aus diesem Artikel sind im Fließ-Text als Link verarbeitet.


Der unerwartete Fall der verschwundenen Grippe

Einige endemische respiratorische Viren pausieren in der Saison 2020/21


H1N1 influenza virus (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:H1N1_influenza_virus.jpg)


Während der Monate vor dem Anstieg der SARS-Cov-2-Infektionen im Herbst und Winter, äußerten viele Offizielle des öffentlichen Gesundheitswesen Bedenken über die Möglichkeit einer "doppelt aufgeladenen" Saison für respiratorische Viren.

In einem solchen Szenario würden die Einrichtungen des Gesundheitswesens völlig überfordert durch 1) Patienten, die von einer Infektion mit endemischen respiratorischen Viren (wie der Influenza) betroffen sind, die in jedem normalen Jahr auftreten, und 2) einem massiven Zustrom von Corona-Patienten.

Glücklicherweise blieb eine solche Katastrophe aus. Der Grund dafür ist eine beispiellose Verringerung der Grippe-Prävalenz in der Saison 2020/21.

Vorneweg sei darauf hingewiesen, daß nicht alle akuten respiratorischen Infektionen während der sogenannten "Grippesaison" auf Influenza-Viren zurückzuführen sind. Tatsächlich sind Influenza-Viren nur zu einem kleinen Teil für Infektionen verantwortlich, wobei der tatsächliche Verursacher der Infektion allgemein unentdeckt bleibt. Andere Viren, die die gleichen generellen Symptome auslösen sind Rhinoviren, Coronaviren, Adenoviren, respiratorische synzytiale Viren und andere.

Viele Experten des öffentlichen Gesundheitswesens haben sich zum Rückgang der Influenza in dieser Saison geäußert. Diese Experten begründeten den Rückgang vor allem mit Maßnahmen wie Grippeimpfungen, Hand-Hygiene, Maskenpflicht und Social Distancing.

Jedoch sind diese Begründung in mehrfacher Hinsicht unplausibel.

1. Wie bereits erwähnt, ist ein großer Teil der akuten respiratorischen Infektionen nicht auf Influenza-Viren zurückzuführen, was bedeutet, daß die Grippeimpfungen nicht die allgemein niedrige Rate von Krankenhaus-Besuchen für Influenza-ähnliche Erkrankungen (ILI) erklären können. Vielmehr noch, da die Vorteile einer Grippeimpfung in der Vergangenheit stark überbewertet wurden, ist es sehr unwahrscheinlich, daß die diesjährige Grippeimpfung eine beispiellose Effektivität erreicht haben soll. So fand eine Cochrane-Auswertung jüngst heraus, daß Grippeimpfungen wohl nur einen kleinen positiven Schutzeffekt gegen Influenza und andere ILI haben, weil etwa 71 Menschen geimpft werden müssten, um 1 Influenza-Fall zu vermeiden.

2. Wie bei SARS-Cov-2 ist auch bei der Influenza eine Schmiereninfektion kein signifikanter Übertragungsweg, weshalb Maßnahmen wie Hand-Hygiene nur eine sehr kleine Rolle bei der Verhinderung der Ausbreitung vieler respiratorischer Viren spielen.

3. Die Reduzierung oder genauer gesagt das Verschwinden von Influenza-Fällen ist in allen geografischen Regionen aufgetreten, völlig unabhängig von nicht-pharmazeutischen Interventionen (NPI), die durchgeführt wurden. Das Verschwinden fällt zusammen mit dem Auftreten von SARS-Cov-2 und zeigt sich weltweit:



4. Wenn das Tragen von Masken dazu führt, daß die Verbreitung von Influenza-Viren nahezu vollständig verhindert wird, dann müsste dies auch für SARS-CoV-2 gelten. SARS-CoV-2- Viren sind in ihrer Größe von 50-200 nm vergleichbar mit Influenza-Viren (80-120 nm), Adenoviren (90-100 nm) und anderen endemischen Beta-Coronaviren, wie HCoV-OC43 und HCoV-HKU1 (118 - 140 nm), welche dasselbe Genom teilen wie das neuartige Virus.

Da SARS-CoV-2, Influenza und verschiedene andere respiratorische Viren vor allem durch kleine Partikel und Aerosole in Innenräumen übertragen werden, sollten Maßnahmen, die für eines der Viren wirken, logischerweise auch für die anderen wirken. Aber trotz der Gleichmäßigkeit der Übertragungswege sind die SARS-CoV-2-Infektionen "durch die Decke gegangen". Gleichzeitig sind endemische Beta-Coronaviren, die auf NPIs gleichermaßen reagieren wie SARS-CoV-2, ebenfalls weitgehend verschwunden:



Die Präsenz von Adenoviren dagegen, welche ebenfalls vor allem über Aerosol-Partikel verbreitet werden, konnte beständig während der gesamten Corona-Pandemie nachgewiesen werden. Wenn das Tragen von Masken Influenza- und endemische Coronaviren fast vollständig verschwinden lassen kann, warum dann nicht auch SARS-CoV-2 und Adenoviren, die ja vergleichbare Größen und Übertragungswege haben?



Human Coronavirus OC43 — Likely culprit of the 1889–90 “Russian Flu” (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:TEM_of_coronavirus_OC43.jpg)


Es ist klar, daß es nicht logisch ist, das aktuelle Verschwinden verschiedener Influenza- und Coronaviren auf NPIs zurückzuführen, aber welche anderen plausiblen Erklärungen könnte es für dieses Phänomen geben? Ist hier irgendeine bisher unbekannte biologische Dynamik im Spiel?

Nicht wirklich!

In seiner wegweisenden Arbeit "Die Übertragung epidemischer Influenza" diskutiert Edgar Hope Simpson ein solches Verschwinden, welches schon öfter in der Geschichte beobachtet wurde.

Den Begriff "The Vanishing Trick" prägend schreibt er:



Also vielleicht kann ein biologischer Prozess, in dem Viren in eine Art von Wettbewerb, Interaktion treten dieses Verschwinden, das aktuell beobachtet wird, besser erklären?

Jüngere Forschung hat Beispiele aus der realen Welt gefunden, die diesem Phänomen entsprechen, das von Simpson beschrieben wurde. Laut einer Gruppe von Forschern aus Yale ist es wahrscheinlich, daß die Rhinovirus-Epidemie im Herbst 2009 die Ausbreitung der Influenza damals gestoppt hat. Die Autoren der Studie schreiben: "ein respiratorischer Virus kann die Ausbreitung eines anderen stoppen, in dem er die Virenabwehr in den Atemwegs-Schleimhäuten aktiviert.

Ergebnisse einer anderen Studie, durchgeführt an Mäusen, unterstützen diese These. Die Mäuse wurden entweder mit einem Rhinovirus oder einem Mäuse-Virus infiziert und man fand heraus, daß in beiden Fällen Grippe-Erkrankungen abgeschwächt wurden. Dazu wurde herausgefunden, daß das Mäuse-Virus die frühzeitige Vervielfältigung von Influenza-Viren verhinderte.

In einer anderen Studie beobachtete man negative Interaktion zwischen Nicht-Influenza- und Influenza-Viren. Die Autoren schreiben: "wenn mehrere Pathogene co-zirkulieren, kann es zu einer kompetitiven oder kooperativen Form der Pathogen-Pathogen-Interaktion kommen. Es wird angenommen, daß solche Interaktionen zwischen Erkältungs- und Influenza-Viren stattfinden."

Eine jüngst veröffentlichte Studie, in der der Effekt der Interaktion zwischen Adenoviren und Influenza in Mäusen untersucht wurde, sagt aus, daß bestimmte respiratorische Infektionen die Aktivität anderer Viren im Atmungstrakt behindern können, ohne daß der andere Virus direkt attackiert wird. 

Und schließlich sagen die Autoren einer Studie mit dem Titel "Eine systematische Untersuchung von Virus-Virus-Interaktion": "vermehrt sprechen Belege dafür, daß Virus-Virus-Interaktionen üblich sind und eine entscheidende Rolle für das Verständnis der Pathogenese von Viren spielen."

Da das jüngst beobachtete Verschwinden verschiedener endemischer Influenza- und Coronaviren logisch nicht durch nicht-pharmazeutische Interventionen (NPIs) erklärt werden kann (aus oben genannten Gründen), bietet ein biologisches Phänomen (Interaktion zwischen Viren) einen weitaus plausibleren Erklärungsansatz.


Zitierungen: ...

...














Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen